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Sport: „Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür!“

Wie Halbfinalist Mexiko mit dem Gerücht zweier positiver Dopingtests umgeht

Zweierlei fällt auf an Ricardo La Volpe: Erstens der mächtige Schnauzbart, der zum Klischee eines Mexikaners gehört wie der Sombrero, den La Volpe wiederum nicht trägt, er kommt ja auch nicht aus Mexiko, sondern aus Argentinien. Zweitens: sein Hang zu ungewöhnlichen Krawatten. La Volpe trägt sie zu offiziellen Anlässen, sie sind stets in dunklen Grundtönen gehalten und mit exotischen Mustern verziert. Am Mittwochabend in Frankfurt präsentiert der Trainer der mexikanischen Nationalmannschaft einen roten Schlips, auf dem sich gelbe, der Phantasiewelt entlehnte Raubtiere tummeln. Die passen zu La Volpe, zu seinen ständigen Scharmützeln mit der mexikanischen Öffentlichkeit. Egal, wie erfolgreich er mit der Nationalmannschaft ist, im Hintergrund macht das mexikanische Idol Hugo Sanchez Stimmung gegen ihn, weil der selbst gern Nationaltrainer wäre. Die Mexikaner sehen in La Volpe immer noch den Zugereisten, den Legionär, obwohl er doch seit 25 Jahren im Land lebt und mit einer Mexikanerin verheiratet ist. „Wann immer es ein Problem gibt, kommt meine Herkunft ins Spiel“, hat er einmal gesagt.

Am Mittwochabend aber, nach dem 0:0 im letzten Vorrundenspiel des Confed-Cups gegen Griechenland, ist Ricardo La Volpe ganz Mexikaner. Angriffslustig tanzen die gelben Raubtiere unter seinem Kehlkopf, als die Fragen in den Katakomben des Frankfurter Stadions auf ihn niederprasseln. Warum hat er seine Verteidiger Aaron Galindo und Salvador Carmona nach Hause geschickt? Sind die beiden bei einer teaminternen Kontrolle positiv auf Nandrolon getestet worden?

La Volpe bemüht sich um Freundlichkeit, aber die wendet sich schnell ins Gegenteil. „Die beiden waren disziplinarisch nicht auf der Höhe“, sagt er. „So etwas darf ich als Verantwortlicher nicht durchgehen lassen.“ Damit ist die Sache für ihn erledigt, für die mexikanischen Reporter aber noch lange nicht. Was denn das für ein disziplinarisches Vergehen sei, will einer wissen, und La Volpe blafft zurück, das gehe ihn gar nichts an, „ich frage ja auch nicht, ob Sie Stress mit Ihrer Frau haben“. So geht das noch ein paar Minuten hin und her. Viermal wird La Volpe gefragt, ob er definitiv ein Dopingvergehen ausschließen könne, viermal windet sich der Trainer um eine konkrete Antwort. „Journalisten sollen sich die Spiele anschauen und den Rest uns überlassen“, sagt er, und: „Kehren Sie lieber vor Ihrer eigenen Tür!“ Dann steht er auf und geht.

La Volpes Auftritt ist Verpflichtung für den Rest der Delegation. Der Pressesprecher spricht nicht, und schon gar nicht mit der Presse. Der als „Man of the Match“ geehrte Torhüter Osvaldo Sanchez holt sich schnell seinen Preis ab und verschwindet kommentarlos in der Kabine. Verteidiger Rafael Marquez murmelt etwas von „einem Problem, das die Gruppe lösen muss, aber viel wichtiger ist das nächste Spiel“. Und Ruben Omar Romano, Trainer der beiden Profis bei Cruz Azul, streut das Gerücht, Galindo und Carmona seien ausgeschlossen worden, weil sie mit der Prämienregelung nicht einverstanden waren.

Der Weltverband Fifa hat eine Stellungnahme angefordert und hält sich zurück. So lange die Mexikaner nicht über einen Dopingfall reden, gibt es auch keinen. Er wisse nicht, welche Erkenntnisse die medizinische Abteilung der Mexikaner habe, und es gehe ihn auch nichts an, sagt Fifa-Sprecher Markus Siegler. „Ich weiß nur, dass es beim Confed-Cup und auch in der WM-Qualifikation keinen einzigen offiziellen positiven Test gegeben hat.“

So bleibt als einzige Konsequenz für die Mexikaner, dass sie im weiteren Turnierverlauf auf zwei wichtige Verteidiger verzichten müssen. Schon gegen die müden Griechen wirkte die Abwehr denkbar labil, und man kann sich vorstellen, was die Argentinier am Sonntag im Halbfinale so alles anstellen werden. Das ist Strafe genug für Ricardo La Volpe, den Mexikaner, der aus Argentinien kommt.

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