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Sport: Kein Geld soll auch Tore schießen

Ärmere Familien schicken ihre Kinder selten in Sportklubs – eine neue Initiative in Berlin soll ihnen helfen

Berlin - Das Trikot, die Shorts, die Fußballschuhe – „meistens sind das Geschenke, oder ich muss eben dafür sparen“, erzählt Melanie Gaube. Die 30-Jährige ist arbeitslos. Schüchtern kauert sie auf der schmalen Holzbank am Hallenrand. Sie sieht ihren beiden Kindern, dem achtjährigen Maurice und der zehnjährigen Michelle, beim Training zu – viermal pro Woche. „Es kostet zwar einige Zeit, aber so sind die beiden erstmal weg von der Straße. Das war mir wichtig“, sagt die alleinerziehende Mutter. Vor etwa einem Jahr überzeugte sie ein Bekannter, der jetzt Trainer ihres Sohnes ist, mit beiden Kindern dem Verein beizutreten. Für die schwierige finanzielle Situation der Familie gab es damals eine vereinsinterne Reglung. „40 Prozent der Menschen hier im Kiez sind arbeitslos. Denen müssen wir mit ermäßigten Monatsbeiträgen entgegenzukommen“, erklärt Ute Golombiewski, die zweite Vorsitzende beim SV Nord Wedding.

Die Mitgliedszahlen des Weddinger Klubs waren in den vergangenen Jahren stark eingebrochen. „Mittlerweile verzeichnen wir wieder einen leichten Aufwärtstrend“, sagt Golombiewski. Ein Grund, so glaubt die 53-Jährige, sei die Initiative „Kids in die Sportklubs“, an der auch Familie Gaube teilnimmt. Bereits jetzt unterstützt das Programm das soziale Engagement von etwa 30 Berliner Sportvereinen. Es hilft, Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Verhältnissen in die Vereine zu bringen. „Wir wissen, welche Funktion der Sport hat. Die Kinder tun etwas für ihre Gesundheit und lernen Fairness und Toleranz im Wettbewerb“, erklärt Thomas Härtel, der Staatssekretär für Sport im Berliner Senat. Für den kleinen Maurice geht es aber auch noch um etwas anderes. Er will Fußballprofi werden. „Am liebsten einer wie Podolski“, sagt er.

Nicht weniger als 150 000 bedürftige Kinder unter 15 Jahren zählt der Senat in Berlin. Zwei von ihnen sind auch Onur (7) und Berfin (9) Akdogan. Das Geschwisterpaar trainiert zweimal in der Woche beim Toruko-Karateverein in Berlin-Moabit. „Die Kinder können sich hier richtig austoben, sind aktiver, disziplinierter und konzentrierter“, sagt Vater Ertan Akdogan. Dabei stand zunächst gar nicht fest, dass beide Kids zum Karate gehen würden. „Wir haben etwas gesucht, das beiden Spaß macht und das wir uns leisten konnten“, sagt Akdogan, der, ebenso wie seine Frau, auf Hartz IV angewiesen ist. Das nun zumindest der Mitgliedsbeitrag entfällt, ist für beide eine echte Erleichterung. „Man muss schließlich alles mal zwei nehmen“, rechnet der Vater vor. Insgesamt sparen die Eltern durch das Förderprogramm 240 Euro im Jahr – Geld, dass sie nun anders investieren wollen. „Kürzlich hatten die Kinder eine Karateprüfung, da müssen jetzt neue Gürtel her. Außerdem werden die Trainingsanzüge langsam zu klein“, sagt der 33-Jährige.

Etwa 80 Kinder nehmen bislang an dem EU-subventionierten Programm teil, das Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren fördert. Als Nachweis für die Förderungswürdigkeit reicht bislang das Berliner Sozialticket der BVG. Seit Anfang dieses Jahres wird auch der jetzt eingeführte Sozialpass anerkannt. Danach ist der Verein gefragt, der die Aufnahme in das Programm bei der Berliner Sportjugend zu beantragen hat. Die übernimmt dann bis zu zehn Euro des Mitgliedsbeitrages, „und dafür verzichtet der Verein auf weitere Beiträge und die Aufnahmegebühr“, erklärt Heiner Brandi, Jugendreferent im Landessportbund. Brandi war es auch, der die Idee aus Hamburg mitbrachte. Dort existiert bereits seit 2004 ein ähnliches Projekt. „Zum Jahresende nahmen etwa 3100 Kinder und Jugendliche an unserer Initiative teil“, erklärt Michael Sander von der Hamburger Sportjugend.

In Berlin hofft man jetzt auch auf derartigen Zulauf. Bislang hat zwar erst ein Bruchteil der etwa 2200 Berliner Sportvereine die Förderung beantragt. Doch Härtel gibt sich zuversichtlich: „Wir rechnen im neuen Jahr mit mehr als 1000 Kindern und Jugendlichen.“ Und vielleicht ist ja wieder ein kleiner Podolski darunter.

Weitere Informationen im Internet: www.kids-in-die-sportklubs.de

Fridtjof Ludwig

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