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Sport: Kein Messer zwischen den Zähnen

Das Team uninspiriert, Wiese gesperrt, Klose beschimpft – Werder glaubt nicht ans Uefa-Cup-Finale

Sein Spitzname ist „der Oberst“. Weil Detlef Kollra früher bei der Bundeswehr diente. Seit einer gefühlten Ewigkeit verdingt er sich als Zeugwart bei Werder Bremen. Kollra ist ein Indikator für die Stimmungslage in seinem Verein. Wenn es für die Norddeutschen gut läuft, dann ist Kollra gut gelaunt. Doch wehe seine Mannschaft verliert: Dann kneift Kollra das Gesicht zusammen und schiebt missmutig die Metallkisten zum Bus. Als der fleißige Bremer Bedienstete dies in der Donnerstagnacht im Bauch des Betonmonsters Estadi Olimpic tat, herrschte höchste Alarmstufe. Explosionsgefahr. „Der Oberst“ war nicht ansprechbar, auf Fragen antwortete er höchstens mit Gegrummel. Werder hatte gerade mit 0:3 bei Espanyol Barcelona mehr als nur ein Uefa-Cup-Halbfinale verloren. Und wenn es für die atmosphärischen Störungen nach der Abreibung auf dem Montjuic weiterer Belege bedurfte, dann waren diese beim Auslaufen zu hören.

Hoch oben in der Kurve harrten auf Geheiß der spanischen Polizei noch die Bremer Fans aus, was sie in die Lage versetzte, endlich entscheidende Botschaften zu artikulieren. Und so erlebten deutsche WM-Helden genau dort, wo 1992 Dieter Baumann seinen Olympiasieg zelebriert hatte, noch eine nächtliche Demütigung. „Wir woll’n euch laufen sehen“ skandierten die Mitgereisten, um dann ein unüberhörbares „Wir wollen keine Bayern-Schweine“ anzustimmen. Eine Anfeindung, die an Miroslav Klose gerichtet war, der sich zwei Tage vor dem Spiel mit den Bayern-Bossen Uli Hoeneß und Ottmar Hitzfeld zum Sondierungsgespräch getroffen hatte. Spannend ist die Frage, ob in dieser vertrackten Gemengelage nicht auch der Endspurt um die Meisterschaft schiefgeht. Werder steht auf dem zweiten Platz.

Jedwede Nachfrage zu seinen Wechselplänen verbat sich Klose: „Wenn Sie keine Frage mehr zum Spiel haben, gehe ich“, zischte der Profi, als ein Fernsehreporter wissen wollte, ob ihm Barcelona als Stadt gefallen habe. Denn es heißt ja auch, nicht nur der FC Bayern, sondern auch der FC Barcelona wolle Klose. Leider bekam der gemeine katalanische Betrachter nur einen blassen WM-Torschützenkönig zu sehen, der bei beinahe skandalösen elf Ballkontakten in keiner Sekunde die millionenschweren Begehrlichkeiten zu rechtfertigen wusste und nach 74 Minuten ausgewechselt wurde. Trainer Thomas Schaaf wollte sich nicht einmal auf einen Einsatz seines Stürmers in der Bundesliga festlegen. „Ob wir in Bielefeld mit Miro oder ohne ihn spielen, werden wir sehen.“ Sportchef Klaus Allofs will die jüngsten Ereignisse mit Klose und dessen Berater Alexander Schütt klären. Er kündigte ein zeitnahes Gespräch an. Allofs wollte aber nicht allein Klose für das schwache Spiel in Barcelona verantwortlich machen: „Wir haben nicht mit der Aufopferung gespielt, die man für ein Halbfinale braucht.“ Und dann fügte der stets auf diplomatische Töne bedachte Allofs spitzzüngig an: „Wir müssen so spielen wie Espanyol: mit dem Messer zwischen den Zähnen. Wir hatten nicht mal das Messer in der Tasche.“

Ergo: Der Grat ist schmal, auf dem selbst so erfolgreiche wie beliebte Mannschaften wie Werder wandeln. Die Stars sind daran nicht unschuldig: Diego zu Real Madrid? Frings zu Juventus Turin? Klose zum FC Bayern? „Das lasse ich nicht als Entschuldigung gelten“, sagte Allofs, „wir haben diese Spekulationen seit Wochen.“ Doch auch Allofs erschreckte, in welch kollektiver Tatenlosigkeit Bremen die Gegentore hinnahm. „Da haben wir geträumt“, schimpfte Trainer Thomas Schaaf, der zudem noch die berechtigte Rote Karte für Torwart Tim Wiese zu beklagen hatte. Wiese wurde für das Rückspiel gesperrt. „Als Mannschaft haben wir absolut versagt“, sagte Klose. „Das Wunder ist jetzt schwer in den Kopf zu kriegen.“

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