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Sport: Keine Antworten, viele Fragen

Doping-Studie bringt BISp in Erklärungsnot.

Berlin - Jürgen Fischer saß mit schmalen Lippen hinter seinem Namensschild. Und es konnte ihm nicht gefallen, wie sich der Wind auf seiner eigenen Veranstaltung plötzlich gegen ihn drehte. Doch kaum jemand hatte Fragen an den Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) über die von ihm in Auftrag gegebene Studie, die am gestrigen Dienstag in Berlin abschließend vorgestellt werden sollte. Der Lichtpunkt wanderte vielmehr auf den weiterhin mysteriösen Rückzug einer Forschungsgruppe der Humboldt-Universität (HU) in Berlin aus seinem Projekt. Sind sie nun gegangen? Oder gegangen worden?

Die letzte von drei Präsentationen der Forschungsarbeit „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ war eigentlich ohne Wert. Denn von den beiden 2009 beauftragten Universitäten hatte nur die Forschungsgruppe der Westfälischen Wilhelms-Universität aus Münster ihre Arbeit für beendet erklärt. Die andere, die von der HU, hatte im März 2012 ihre Arbeit eingestellt. Und die Frage nach dem Warum bleibt wohl mindestens bis zum morgigen Donnerstag unbeantwortet. Dann werden die Berliner ihre Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Projekt doch noch im Rahmen des Symposiums „Probleme gesamtdeutscher Doping-Aufarbeitung“ in Frankfurt (Oder) präsentieren. Gestern berichtete Fischer lediglich, die Gruppe um Giselher Spitzer habe bei der HU keine Anträge auf die Verlängerung ihrer Arbeitsverträge gestellt, die am 31. März ausliefen. Die HU dementierte diesen Sachverhalt jedoch umgehend.

Ziel der vom Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB) initiierten und 500 000 Euro teuren Forschung sollte laut Fischer „eine vorbehaltlose und umfassende Aufklärung“ des Phänomens Doping in Deutschland sein. Doch diesen hohen Anspruch verfehlte zumindest die gestrige Präsentation kilometerweit.

Noch vergangenes Jahr hatte Spitzer mit seinen Zwischenergebnissen für die Siebziger und Achtziger Jahre für Aufsehen gesorgt. Der Professor berichtete von „systemischem Doping“ in Westdeutschland und beschuldigte BISp, Innenministerium und DOSB, in dem untersuchten Zeitraum Doping geduldet und teils gefördert zu haben. Von solchen Enthüllungen konnten die Münsteraner in ihren gestrigen Ausführungen nicht berichten. „Darum ging es ja aber auch gar nicht“, so Fischer. Er sprach von einer „irrigen Erwartungshaltung“ an die Studie. Doch was die Gruppe aus Münster um Michael Krüger sich dann getraute zu präsentieren, hatte absolut keinen Neuigkeitswert.

Und dann drehte sich für Fischer plötzlich der Wind. Der BISp-Direktor geriet in der anschließenden Pressekonferenz in Nöte und konnte den überraschenden Wegfall der HU nur unzureichend erklären. Ihr letzter Prüfbericht sollte die Jahre von 1990 bis 2007 behandeln. Und in diesen Zeitraum fällt unter anderem der ungeklärte Todesfall der Siebenkämpferin Birgit Dressel und das direkte Wirken von Leichtathletik-Trainer Heinz-Jochen Spilker, der junge Sprinterinnen dopte und heute sogar noch als Funktionär im Landessportbund Thüringen arbeitet. Hatten die Berliner also etwas herausgefunden, dass womöglich verschwiegen werden soll? „Für die Phase nach dem Mauerfall hätten wir Neuigkeiten zum Forschungsstand liefern können“, sagt der Sporthistoriker Erik Eggers, der für die HU an der Studie mitarbeitete. Doch offiziell eingeladen war gestern niemand von ihnen.

„Das Projekt ist vorerst gescheitert. Das bedauern wir sehr“, sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper abschließend. „Aber“, fiel ihm Fischer ins Wort, „es ist unser fester Wille, das Projekt abzuschließen. Ich bin kein Typ, der auf halber Strecke stehen bleibt.“ Und so will Fischer weiter seinen Mann stehen und einen Restforschungsbedarf mit der HU klären. Eventuell wird dann der jüngste Forschungszeitraum ein weiteres Mal ausgeschrieben werden.

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