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Sport: Keine Momo bringt die Zeit zurück

Aufsteiger Aachen kann mit Leverkusens Tempo nicht mithalten

Hatte sich Dieter Hecking erinnert gefühlt an „Momo“? Als der Trainer von Alemannia Aachen damit begann, die 0:3 (0:2)-Auswärtsniederlage des Bundesliga-Aufsteigers zu analysieren, klang Hecking, als lieferte er die Fußballversion des berühmten Romans von Michael Ende. Darin versucht die gespenstische Gesellschaft der „Grauen Herren“ die Menschen mit allen Mitteln zum Zeitsparen anzuhalten. „Wir hatten einfach zu wenig Sekunden“, sagte Hecking seufzend, dabei hatte er seinem Team zuvor intensiv erklärt, dass man „in der Bundesliga nur noch die Hälfte der Zeit zur Verfügung hat“. Es half nichts: Die Zeit-Diebe von Bayer Leverkusens hatten ihnen die Sekunden gestohlen – und es hatte sich keine Momo gefunden, sie dem Gegner wieder zu entreißen.

Manchmal bewegten sich beide Teams tatsächlich auf zwei verschiedenen Zeit- und Geschwindigkeitsebenen. Auf der einen Seite hielt der Gastgeber das Tempo enorm hoch – personifiziert durch den überragenden Nationalspieler Bernd Schneider, der bei Unterbrechungen den Ball forderte und sofort wieder ins Spiel brachte. Auf der anderen Seite waren die nervösen Aachener angesichts dieses Hochgeschwindigkeitsfußballs, der sich auf beachtliche technische Fähigkeiten gründet, 90 Minuten lang überfordert. Schon vor dem Platzverweis gegen Keeper Kristian Nicht wegen Handspiels außerhalb des Strafraums in der 22. Minute wurden die Aachener vom Gastgeber förmlich demontiert; schon bis zu diesem Zeitpunkt hätte Bayer mindestens zwei Treffer erzielen müssen. „Wir wollten eigentlich an der Mittellinie pressen, aber da sind wir nie hingekommen“, sagte der ratlose Aachener Kapitän Reiner Plaßhenrich.

So wirkten die drei Leverkusener Tore wie das Ergebnis eines Drehbuchs, das einen hohen Heimsieg bei maximaler Überlegenheit vorsieht. Nach dem 1:0 durch Kapitän Carsten Ramelow und dem 2:0 durch den starken Rechtsverteidiger Gonzalo Castro, der einen Plaßhenrich-Fehlpass bestrafte, war jede Spannung gewichen. Und nach dem 3:0 durch den Ex-Aachener Simon Rolfes konnte Alemannia sich bei den Gastgebern bedanken, dass diese nun etwas das Tempo drosselten und in der 80. Minute Marko Babic wegen eines Ellbogenchecks gegen Sergio Pinto verloren.

Euphorie löste das Ergebnis bei den Leverkusenern aber nicht aus. „Das hat zwar Spaß gemacht“, sagte Rolfes, „aber anders als im letzten Jahr nach dem Sieg in Frankfurt werden wir jetzt nicht die falschen Schlüsse ziehen.“ Kapitän Ramelow dachte schon an den zweiten Spieltag: „Wir sind gut drauf, wenn wir so spielen wie heute. Dann ist auch in Bremen etwas machbar.“ Sportdirektor Rudi Völler freute sich über „herrlichen Fußball, vor allem in den ersten 20 Minuten“. Andererseits: „Der Gegner hat uns kaum gefordert.“ Auch Bayer-Trainer Michael Skibbe sagte bloß: „Unsere Ansprüche dürfen nicht größer werden, dafür war der Abstand in der vergangenen Saison zu den Teams vor uns einfach zu groß.“ Damals wurde Leverkusen Fünfter.

Aber auch bei Aachen blieb man ziemlich kontrolliert. „Alle haben gesagt, dass wir hier untergehen würden. Diese Leute haben Recht behalten“, sagte Plaßhenrich achselzuckend. Auch Hecking verlor nicht die Ruhe: „Man muss der Mannschaft auch einen Lernprozess zugestehen“, sagte der Coach, „wir müssen das abhaken und uns auf das Heimspiel gegen Schalke konzentrieren.“ Und Manager Jörg Schmadtke reagierte ironisch auf jene, die Aachen ohnehin für bundesliga-untauglich halten: „Man kann sicher sein, dass wir auch am nächsten Samstag antreten werden.“ Zum nächsten Kampf gegen die Zeit.

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