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Sport: Keine Tränen, keine großen Worte

Regina Halmich gewinnt auch ihren letzten Boxkampf und feiert einen etwas sterilen Abschied

Alles ist vorbereitet. Die Blumen, der Funken sprühende Schriftzug, die vierstöckige Torte mit der Krone oben drauf und auch der Ring. Ein glitzernder, knapp 10 000 Euro teurer Klunker mit 56 Brillanten für 56 Kämpfe und einem großen Rubin, gehalten von zwei Boxhandschuhen. Nur Hagar Shmoulefeld Finer spielt nicht richtig mit an diesem Freitagabend, der eine letzte große Verbeugung vor Box-Weltmeisterin Regina Halmich sein soll. Vor 7500 Zuschauern in der ausverkauften Arena in Halmichs Heimatstadt Karlsruhe bringt die Israelin Deutschlands Box-Ikone hartnäckig in Bedrängnis. Am Ende steht Halmich arg zerschrammt und ausgepumpt da, und hat Glück. Ein Kampfrichter wertet unentschieden, die anderen beiden sehen Halmich als Siegerin.

Also bleibt die 31-Jährige als Weltmeisterin ungeschlagen. „Es war sicher ein enges Ergebnis“, sagt sie im Anschluss, „aber ich habe zu Recht gewonnen und deshalb habe ich jetzt auch das Recht, mich zurückzuziehen.“ Shmoulefeld Finer fand nicht, dass Halmich zu Recht gewonnen hatte. „Wäre der Kampf nicht in Deutschland gewesen, sähe das Ergebnis anders aus.“ Sie sagte das leise. Laut sagte sie artig „Danke“. Sie empfinde es als Ehre, in Halmichs letztem Kampf gegen sie angetreten zu sein. „Das war die beste Erfahrung, die ich in meinem Leben bisher gemacht habe“, sagte Shmoulefeld Finer. Auch Regina Halmich sagte „Danke“. Danke für einen Kampf, der „kein typischer Abschiedskampf, in dem man sich noch mal eine leichte Gegnerin nimmt“, gewesen sei. So hatte sie es gewollt. Auch wenn derart heftige Prügel sicher nicht eingeplant waren.

Die Beulen in Halmichs Gesicht passten dann auch nicht so recht zu dem silber-schwarzen Abendkleidchen, das sie nachher trug. Oder zu dem neuen, funkelnden Ring an ihrem Finger. Einem gewichtigen Abschiedsgeschenk ihres Managers Klaus-Peter Kohl. Immerhin hat Halmich ihm einen neuen Geschäftszweig eröffnet. Mit fünf weiteren Weltmeisterinnen ist er Deutschlands führender Frauen-Box-Promoter. „Wir machen also auf jeden Fall weiter“, sagte Kohl.

Halmich will nicht länger mitmischen. Schluss, aus, vorbei. Nach mehr als zwölf Jahren als Weltmeisterin und „Quotenqueen“ dankt sie ab. Im Durchschnitt 8,8 Millionen Zuschauer verfolgten die Übertragung des ZDF, so viele wie noch nie. Und das an einem box-unüblichen Freitag, am Samstag hätte Harry Potter Halmichs Kampf in die Nacht auf Sonntag verdrängt. Mit rund einer Million Euro kassierte Halmich auch die größte Börse ihrer Karriere – abgesehen von ihrem zweiten Show-Kampf im vergangenen März gegen Entertainer Stefan Raab. Der Klamauk soll ihr ein ähnlich hohes Gehalt eingebracht haben. Aber nicht nur das. Der Kontakt zu Raab hat Halmichs Karriere noch nie geschadet. Als sie ihm vor sechs Jahren die Nase brach, wurde sie erst richtig populär. Jetzt will sie an seiner Seite bei den Boxübertragungen von Pro 7 eine zweite Laufbahn als Moderatorin einschlagen.

Die 1,60 kleine Blondine hat es geschafft, in die Liga von Katharina Witt, Steffi Graf oder Franziska van Almsick aufzusteigen. Der ehemalige Schwimmstar hatte noch vor dem Kampf eine Botschaft für Halmich parat: „Wenn man aufhört, fängt das richtige Leben erst an.“ Vielleicht ahnt Halmich schon seit einer Weile, dass es tatsächlich so sein könnte. Vielleicht geriet ihr großer, letzter Abend auch deshalb – und nicht nur wegen des denkbar knappen Sieges im Ring – ein wenig steril. Keine Tränen, keine großen Worte. Einfach nur Schluss.

Die Blumen, der Funken sprühende Schriftzug mit den Worten „Danke Regina, Du bis die Größte“, die gigantische Torte – als das wirkte wie eine Aneinanderreihung von Programmpunkten, die an einem letzten Abend eben sein müssen. Der emotionalste Satz, der Halmich öffentlich über die Lippen kam, war: „Und jetzt gehen wir schön einen trinken.“

Klaus-Peter Kohl sprach von „ein bisschen Wehmut“, verspürte aber in erster Linie Freude. Über einen sensationellen Glücksgriff, eine grandiose Karriere, ein gutes Ende. „Ich bin froh, dass sie aufhört, man muss aufhören, wenn man ganz oben ist“, sagte er. Und: „Ich hoffe, dass sie wirklich nie wieder zurückkommen wird.“

56 Brillanten müssen eben reichen.

Susanne Rohlfing[Karlsruhe]

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