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Sport: Kelten kicken nicht

Nur langsam entdecken die Iren ihre Zuneigung zum Fußball – es gilt als das Spiel der verhassten Engländer

Irlands Fußball steht vor entscheidenden Tagen. Nur ein Sieg morgen in Dublin gegen Deutschland hält die Chance der Nationalmannschaft auf die Qualifikation für die Europameisterschaft im kommenden Jahr am Leben. Aber das ist eine weitgehend britische Angelegenheit. Der wahrhaft irische Fan fühlt sich als Kelte, abstammend vom Stamm der Gälen, die so überhaupt nichts zu tun haben mit Großbritannien, wo fast alle irischen Nationalspieler ihr Geld verdienen. Kein einziger von denen verdingt sich in der einheimischen Liga, der Eircom National League of Ireland, benannt nach einem Telefonkonzern.

Heute Abend geht es im Tolka Park zu Dublin vielleicht schon um den Titel. Rekordmeister Shamrock Rovers trifft auf den Emporkömmling Droghea United, der bei noch fünf ausstehenden Spielen neun Punkte vorn liegt. Irland zählt zu den wenigen Ländern, in denen sich die Meisterschaft nach dem Kalenderjahr richtet. Und es ist wohl das einzige Land der Welt, in dem sich die Nationalmannschaft einen Dreck darum schert, dass es einen Tag vor einem wichtigen Länderspiel in der höchsten Liga um die Meisterschaft geht.

Mit dem irischen Vereinsfußball ist das so eine Sache. Die National League ist international drittklassig, und der populärste Klub hier ist nicht Shamrock Rovers, Droghea United oder Cork City. Es ist überhaupt kein irischer Klub, sondern einer aus Schottland: Celtic Glasgow, gegründet vor 120 Jahren vom katholischen Mönch Bruder Walfried. Das Glasgower Eastend ist die traditionelle Heimat der irischen Einwanderer. Celtic trägt die grünweißen Farben der irischen Landesfahne im Vereinswappen. Noch heute lässt Celtic vor seinen Heimspielen die irische Flagge hissen. Spiele gegen die Royalisten vom Glasgower Lokalrivalen Rangers stehen stellvertretend für den irischen Befreiungskampf gegen die britischen Besatzer.

Als Irlands Jahrhundertspieler Roy Keane vor zwei Jahren bei Manchester United gehen musste, ließ er seine Karriere bei Celtic ausklingen. Seit 2006 arbeitet er als Trainer beim Premier-League-Team Sunderland. Keanes Wort hat Gewicht. Am Sonntag wunderte er sich laut darüber, warum Nationaltrainer Steve Staunton den in Sunderland engagierten Liam Miller schon seit mehr als einem Jahr nicht nominiert habe, der Mann sei schließlich Irlands Zukunft im Mittelfeld. Einen Tag später wurde Miller für das Spiel gegen Deutschland eingeladen.

Roy Keane steht für das sich wandelnde Image einer Sportart, die in Irland lange Zeit als Domäne der Besatzer galt. Volkssport Nummer eins ist das gälische Hurling, ein dem Hockey entfernt verwandtes Spiel, bei dem 30 mit Stöcken bewaffnete Spieler dem Ball hinterherjagen. Am 21. November 1920 schossen britische Soldaten während eines Hurlingspiels auf Spieler und Zuschauer. Dreizehn Menschen kamen damals im Dubliner Croke Park ums Leben. Die angebliche Vergeltungsaktion der britischen Armee gegen irische Partisanen hat als „Bloody Sunday“ Eingang in die Weltgeschichte gefunden. Morgen ist der Croke Park Schauplatz des Fußballspiels gegen Deutschland.

Seit Ende der Achtzigerjahre genießt die Fußball-Nationalmannschaft in Irland eine neue Popularität. Die Engländer waren Verursacher und Leidtragende zugleich. Jack Charlton, der Bruder von Sir Bobby, hatte den Job als irischer Nationaltrainer angetreten und auf der grünen Insel wenig vorgefunden, was ihm beim Aufbau einer großen Mannschaft geholfen hätte. Also machte Charlton sich in seiner Heimat auf die Suche. Er durchkämmte die englischen Profiklubs nach Profis, die aufgrund ihrer Verwandtschaftsverhältnisse Anrecht hatten auf einen irischen Pass. Stars wie John Aldridge, Ray Houghton und Ronnie Whelan fand er im legendären Team des FC Liverpool der Achtzigerjahre. Das allein hätte noch nicht gereicht, die Iren zu überzeugen. Doch bei der Europameisterschaft in Deutschland 1988 siegten die englischen Iren gleich gegen die verhassten Engländer, und dem Liverpooler Houghton gelang das Tor zum alles entscheidenden 1:0.

Irland war bei der Weltmeisterschaft 1990 in Italien dabei und auch vier Jahre später in den USA, als die Teams von der britischen Insel allesamt die Qualifikation verpasst hatten. 2002 schalteten die Iren in der WM-Qualifikation die Holländer aus, bei der Endrunde in Fernost trotzten sie den Deutschen ein 1:1 ab. Das irische Tor schoss Robbie Keane (der es schon seit Jahren leid ist zu erklären, dass er mit Roy Keane nichts gemein hat als den in Irland populären Familiennamen). Robbie Keane spielt für Tottenham Hotspur und führt die Nationalmannschaft morgen als Kapitän an. Trainer Steve Staunton ist mit 102 Länderspielen Rekordnationalspieler, übrigens einer der wenigen in Irland geborenen Spieler, die Jack Charlton Ende der Achtziger Jahre rekrutiert hat. Wie zu Charltons Zeiten besteht die irische Mannschaft auch heute ausschließlich aus Spielern, die in England und Schottland beschäftigt sind. Im Croke Park gab es zuletzt zwei 1:0-Siege gegen Wales und die Slowakei.

Normalerweise spielt die Nationalmannschaft als Untermieter im Stadion an der Lansdowne Road, das im Besitz der Irish Rugby Football Union ist und gerade renoviert wird. Doch auch im Croke Park sind die Fußballspieler nur geduldete Gäste. Das 82 500 Zuschauer fassende Stadion ist die Heimat der Gaelic Athletic Association. Im Sommer wird hier Hurling gespielt.

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