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Das Titelgirl des Kickboxens: Christine Theiss posiert beim offiziellen Wiegen vor ihrem Kampf gegen Sanja Samardzic.

© dpa

Kickboxerin Christine Theiss: Tritte für Millionen

Kickboxerin Christine Theiss macht in Berlin kurzen Prozess mit ihrer Gegnerin Sanja Samardzic. Ebenso souverän vermarktet sie sich und den Sport - und verfolgt dabei einen Traum für die Zeit nach ihrer Karriere.

Die Fäuste sind geballt, auf dem angespannten Bauch, in dem ein Piercing glitzert, zeichnen sich die Muskeln ab. Mit ernstem Blick schaute Christine Theiss in den letzten Wochen von den Plakaten auf Berlins Plätzen und Straßen. Bei dem Kampf am Freitagabend im Studio Adlershof ging es nicht nur um die Weltmeistertitel der Verbände WKU und ISKA. „Gutes Aussehen oder Doktortitel hin oder her – wenn ich den Kampf nicht gewinne, ist das alles passé“, hatte sie am Dienstag noch nüchtern zu Protokoll gegeben. Mit „das alles“ meinte sie den Medienrummel, die Fernseh-Liveübertragung und die sechsstellige Summe, die die Kickboxerin mittlerweile pro Kampf verdient.

Am Ende ging dann alles ganz schnell - so schnell, dass sie sich sogar noch beim Publikum dafür entschuldigte, dass es so wenig zu sehen bekommen hatte. Keine vier Runden à zwei Minuten dauerte der Kampf zwischen der 32-Jährigen und ihrer Gegnerin Sanja Samardzic aus Bosnien, der Europameisterin des Verbands WAKO. Von der ersten Sekunde an den Kampf bestimmen, das hatte Trainer Mladen Steko seiner besten Kämpferin vorher eingebläut. Theiss drängt Samardzic immer wieder in die Ecke, traktierte ihren Kopf mit Haken und ihren Oberkörper mit Sidekicks. Die bedrängte Herausforderin versuchte zwar mehrfach, sich freizukicken, doch das ließ Christine Theiss nicht zu. In der dritten Runde verpasste sie der 27-jährigen Bosnierin einen Axekick, indem sie ihre Ferse wie eine Axt von oben auf den Kopf der sieben Zentimeter kleineren Gegnerin niederfahren ließ. Samardzic taumelte, blinzelte, musste sich anzählen lassen, kämpfte dennoch weiter. In der vierten Runde hatte Theiss dann leichtes Spiel: Souverän drängte sie Samardzic, die sich dennoch weiter mit frontalen Kicks wehrte, in die Ecke. Dann schlug die Münchnerin zu: Ein rechter Haken auf den Kopf, einer auf den Bauch, wieder einen auf den Kopf und zum Schluss ein Doppelkick schickten Samardzic in die Seile. Sie winkte ab und gab schließlich auf. Theiss lehnte verwirrt in der Ringecke, schien sogar etwas enttäuscht von dem schnellen Sieg, dem 13. K.o.-Sieg in 37 Kämpfen.

Dabei hatte das Probetraining am Dienstag noch mehr Spannung versprochen. Auf der Bühne des Hofbräuhauses am Alexanderplatz, wo sonst zu Gemütlichkeit bei Bier und Blasmusik aufgespielt wird, präsentierten sich Stekos Boxstall und die als Ersatz eingesprungene Gegnerin. Samardzic beeindruckte mit harten, hohen Kicks, wirkte allerdings schüchtern und blass gegen ihre braungebrannte Gegnerin aus München. Theiss ist ein Medienprofi, sie weiß, was Fotografen und Kameramänner wollen. Zum Probetraining kam sie sorgfältig geschminkt, im lilafarbenen Satinröckchen. Während Steko seine Boxer routinemäßig für Fotos posieren ließ, musste Samardzic erst gebeten werden, ihren Trainingsanzug abzulegen und in Boxershorts und schwarzem Oberteil in Kickposition für ein Foto stillzuhalten. Nach einer höflichen Verbeugung verschwand sie schnell hinter der Bühne.

Theiss dagegen fühlte sich zwischen Bierbänken und bayerischen Trinksprüchen an den Wänden ebenso heimisch wie der Tross aus Trainingskollegen und Fernsehvertretern. Sie hat seit zwei Jahren einen Exklusivvertrag mit dem Sender Sat 1, für den sie gerade die fünfte Staffel der Abnehmserie „The biggest Loser“ als Moderatorin drehte.

"Nicht nur asoziale Schläger machen Kickboxen"

Die promovierte Medizinerin, deren Hauptberuf derzeit ruht, tut den Medienrummel als Nebensache ab, die für den Erfolg eben erledigt werden müsse. Sie wolle den Sport voranbringen, und das gelingt ihr. Es gebe weniger Vorurteile als früher. „Man musste den Leuten erst mal erklären, dass nicht nur asoziale Schläger Kickboxen machen“, sagt sie. Sie spricht vor allem Mädchen und junge Frauen an, die Kickboxen als Fitnesssport betreiben.

Ihre Kämpfe laufen mittlerweile auf einem Sendeplatz, der sonst dem klassischen Boxen vorbehalten war. 14,8 Prozent Marktanteil erreichte sie mit ihrem Kampf gegen Su-Jeong Lim vergangenes Jahr. Zum Vergleich: Felix Sturm erreichte auf demselben Sender fast 24 Prozent, die Klitschkos ziehen an einem Abend auch mal über die Hälfte aller Zuschauer an. Kickboxen ist eine Nischensportart – mit Daseinsberechtigung im Fernsehen, findet Theiss. „Meine Kämpfe haben mehr Zuschauer als das Frauenboxen“, sagt sie selbstbewusst. 1,7 Millionen Zuschauer erreichte Theiss am Freitag, ein Marktanteil von 12,1 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe – das drittbeste Ergebnis bisher, was die Zuschauerzahlen angeht. Die dienen als Grundlage für neue Vertragsverhandlungen.

Theiss ist das Titelgirl des Kickboxens. Sie will es als faire, vielseitige Sportart etablieren. „Mein Traum ist, eines Tages nach Hause zu kommen, mich auf die Couch zu setzen und Kickboxen live zu schauen, ohne dass ich selbst boxen muss“, sagt sie. Nach ihrem Sieg hielt sie kurz inne, dann stieg sie jubelnd auf die Ringseile. Es war ein kurzer Kampf, doch für Christine Theiss geht es bald schon in die nächste Runde.

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