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Sport: Kieler Keilerei

Wladimir Klitschko schlägt den Boxverhinderer Danell Nicholson k.o. und ist schon wieder der Liebling der Massen

Kiel. Um Mitternacht verlor Angelika Volquartz ihre Beherrschung. „Wladimir Klitschko wird in die Geschichte Kiels eingehen“, sagte die Dame im knalligen Kostüm. Volquartz ist so etwas wie die First Lady der Stadt Kiel. „Die Oberbürgermeisterin lassen wir jetzt mal weg: Lieber Herr Klitschko, ich danke Ihnen von ganzem Herzen.“ Es war eine ungewöhnliche Einleitung zu einer netten Plauderei mit Wladimir Klitschko. Der 27-jährige Zwei-Meter-Mann war frisch geduscht, frei von Blessuren und bei bester Laune. Zuvor hatte er es auf eine wilde Keilerei mit dem US-Amerikaner Danell Nicholson ankommen lassen, die ihm nicht sehr viel Kraft geraubt hatte.

Den schweren, schwarzen Boxer aus Chicago, der mit wilden Schwingern um sich warf, hatte Wladimir Klitschko mit zwei blitzsauberen Aufwärtshaken regelrecht abgefangen. Knockout in Runde vier lautete das Urteil vor knapp 11 000 Zuschauern in der Kieler Ostseehalle. Viel Geld hatten sie am Kassenhäuschen gelassen, um den smarten Boxapoll aus der Ukraine zu sehen. Und dann das. Es war kein schöner Kampf. Es war ein fürchterliches Gewürge, was Nicholson in den ersten beiden Runden Klitschko aufzuzwingen versuchte. Kein Boxen, keine klaren Aktionen. Nur halten, klammern und ein zunächst verkrampfter und verspannter Wladimir Klitschko. „Wladimir war fest“, sagte seine Trainer Fritz Sdunek hinterher. Doch als sein als Star des Schwergewichts ausgeguckten Schützling nach einer Minute und 44 Sekunden der vierten Runde den Boxverhinderer aus Übersee mit einer kolossalen Schlagkombination ausknockte, stand die Ostseehalle geschlossen Kopf.

Natürlich war die Frau Oberbürgermeisterin mit ihren Bemerkungen etwas übers Ziel hinausgeschossen. Aber nach diesem Sieg ist Wladimir Klitschko wieder der Liebling der Massen (knapp acht Millionen TV-Zuschauer) und hat sich in die Reichweite eines großen Titelkampfes zurückgeboxt. Vergessen scheint sein peinlicher Titelverlust im WM-Kampf im März. Klitschko war gegen einen dickbäuchigen Hobbygolfer aus Südafrika schwer k. o. gegangen. Seitdem ging der als Kronprinz des Schwergewichts gehandelte Wladimir Klitschko neun Monate schwanger mit dem Makel, nicht die Härte für einen ganz Großen zu haben. Weltmeister war er mal, aber auch ein Champion?

Zwei Kämpfe hat er seitdem bestritten. Im August fiel der Argentinier Moli nach nur 109 Sekunden und einem leichten Wischer von Klitschko um. In Kiel nun hatte er es mit einem Vertreter der unbequemen und unsauberen Sorte zu tun. Solche Kämpfe sind selten etwas fürs Auge, aber Klitschko muss diese überzeugend gestalten, wenn er nach ganz oben will. Denn so einfach werden es ihm die Amerikaner nicht machen, wenn er hingeht und ihnen nehmen will, was für sie die wichtigste Trophäe im Sport ist – den Titel im Schwergewichtsboxen. Wer auf diesen Thron will, muss mit sehr viel Widerstand rechnen.

Wladimir Klitschko plauderte lockerer, als er boxte. Er fand herzliche und liebe Worte für Kiel und seine Bürger. „Danke für die tolle Woche, das habe ich doch gar nicht verdient", sagte Klitschko. Am Vormittag des Kampftages hatte er ein Museum besucht und am Abend im Ring spürte er die Euphorie des Publikums, „die wie Elektrizität in meinen Körper floss“. Nach dem Geschmack der Kieler hätte sie noch etwas länger fließen können als diese gut dreieinhalb Runden. „Ich weiß“, sagte Klitschko und nickte verständnisvoll, „ein 12-Runden-Kampf steht zwar auf der Eintrittskarte, aber wie lange es dauern wird, weiß man nie.“ Ein Wörtchen mitzureden hatte ja auch Danell Nicholson. „Es hat heute nicht so geklappt im Ring“, sagte der Amerikaner und fand damit eine recht diplomatische Umschreibung dessen, was er im Ring geboten hatte. Wie aus einem Versteck schoss er hervor und sprang Klitschko an, mal klammerte er, mal hielt er. Gelegentlich stieß er mit seinem Kopf und immer wieder versuchte er mit so genannten Heumachern, das sind wilde Schläge mit windmühlenartigem Ausholen, seinem Gegenüber den finalen Schlag zu verpassen. „Ich sage Ihnen, diese Schwinger. Sie schossen wie Kugeln aus einer Waffe an meinem Kopf vorbei“, sagte Klitschko und verzog dabei sein Gesicht zu einer Grimasse. Es war jene Grimasse, die er immer dann aufsetzt, wenn er einen seiner Zaubertricks vorführt und verdutzte Zuschauer zurücklässt. Als Klitschko registriert hatte, dass Nicholson mit dem Oberkörper immer nach rechts abtauchte, knallte er ihm einen linken Aufwärtshaken an den Kopf. Nicholson lag das erste Mal flach. „Es war nicht einfach, aber ich hatte den Schlüssel gefunden“, sagte Klitschko. Nach einer Links-rechts-Kombination sprang der Ringrichter dazwischen. Das war’s. Am Ende zählte nur das Resultat.

„Das war kein schöner Kampf. Aber jeder Sieg bringt mich weiter“, sagte Klitschko und verabschiedete sich. Das Schlusswort in Kiel hielt der geschlagene Gast aus Chicago. „Schöne Weihnachten, Gott segne euch.“

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