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Regisseur Gabe Polsky.

© promo

Kinofilm "Red Army!: Perfektion hat ihren Preis

"Red Army" von Regisseur Gabe Polsky ist eine Dokumentation über die legendäre sowjetische Eishockeynationalmannschaft der 1980er Jahre mit echten Menschen und großartigen Bildern.

Natürlich hat der Amerikaner Gabe Polsky „Miracle on Ice“ gesehen. Den Film zum sensationellen Sieg einer amerikanischen Studentenmannschaft über die Sowjetunion bei den Olympischen Winterspielen 1980 in Lake Placid, ein paar Wochen nach dem Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan. Smarte Collegeboys retten die Welt vor den verschlagenen Sowjets, die zum Lachen nach Sibirien fahren und das Eis noch ein bisschen eisiger wirken lassen. Was halten Sie von dem Film, Mr. Polsky? „Hmm, das ist ein Interview für eine deutsche Zeitung, oder?“ Kurze Pause. „Also gut, Ihren amerikanischen Kollegen würde ich das nicht so sagen, aber der Film ist furchtbar. Hollywood on Ice. Und er wird den sowjetischen Spielern nicht gerecht, vor allem nicht dem wunderbaren Eishockey, das sie gespielt haben.“

Also hat der Filmemacher Gabe Polsky seinen eigenen Film gemacht, er heißt „Red Army“ und läuft am Donnerstag in den deutschen Kinos an. „Red Army“ ist mehr als ein Sportfilm. Eine Dokumentation mit echten Menschen und großartigen Bildern, sie ragt aus einer versunkenen Zeit hinein in die Gegenwart. Darüber hinaus ist es der anrührend zärtliche Versuch, ein wenig beizutragen zur Klärung der Frage, warum die Welt 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges so ist, wie sie ist.

Gabe Polsky hat sich in das sowjetische Eishockey verliebt, als ihm vor ein paar Jahren ein Video in die Hände fiel. Canada Cup in Montreal, ein Jahr nach dem Wunder von Lake Placid. 8:1 siegten die Sowjets über die Kanadier, die keine Collegeboys aufgeboten hatten, sondern ihre besten Profis. Wayne Gretzky, Guy Lafleur, Marcel Dionne. „Und das im Mekka des Eishockeys“, sagt Wjatscheslaw Fetissow. „Wir haben sie vor ihren eigenen Leuten geschlagen!“ Fetissow ist Polskys Hauptdarsteller, eine durchaus widersprüchliche Figur. Im ersten Leben war er Offizier der Roten Armee und einer der besten Eishockeyspieler der Welt. Im zweiten rebellierte er gegen das System, erstritt noch vor dem Zusammenbruch der UdSSR seinen Wechsel in die NHL und gewann dort zweimal den Stanley Cup. Das dritte Leben lebt er wieder in Moskau, als Politiker und enger Vertrauter Wladimir Putins in einer Zeit, da sich Russland und die USA so fremd sind wie lange nicht.

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Gabe Polskys Verdienst ist es, dass er Fetissow vor der Kamera das Herz geöffnet hat. Das war so einfach nicht. Als der Sohn ukrainischer Eltern vor drei Jahren nach Moskau reiste, hatte er nur eine Telefonnummer. Fetissow verweigerte sich über Wochen jeder Interview-Anfrage, bis er dann doch nachgab und eine 15-minütige Audienz gewährte. Daraus wurden fünf Stunden, an deren Ende der Russe den Amerikaner zu sich nach Hause einlud.

Regisseur Polsky erspart seinem Hauptdarsteller Fetissow nichts

Polsky erspart Fetissow nichts. Beim Betrachten der Aufnahmen von Lake Placid schaut er betreten am Monitor vorbei und weint beinahe, als er vom Tod seines jüngeren Bruders erzählt. Ein Autounfall, „ich saß am Steuer“. Immer wieder unterbricht Polsky seine Interviews mit Bildern von der atemberaubenden Schönheit des sowjetischen Spiels. Aber die Schönheit hatte ihren Preis. Die Spieler trainierten viermal am Tag in elf Monaten im Jahr. Fetissow war der erste, der aufbegehrte, nachdem Trainer Wiktor Tichonow sein Versprechen gebrochen hatte, ihn im Falle eines Olympiasieges 1988 in Calgary in die NHL wechseln zulassen.

Tichonow suspendierte ihn, und Fetissow musste sich in der Werksmannschaft einer Bleistiftfabrik fit halten. Am Ende setzte er seinen Wechsel zu den New Jersey Devils durch, aber die nordamerikanischen Profis fürchteten die Konkurrenz. Das Eis brach 1997, als die Detroit Red Wings mit einem von Fetissow angeführten Block aus fünf russischen Spielern den Stanley Cup gewannen. Russland eroberte Amerika. Rote Fahnen wehten in der Halle, auf einem Transparent stand: „Ich werde alle meine Söhne Wjatscheslaw nennen“. Das hätte ein schönes Happy End sein können, aber das Leben ist nicht Hollywood und Fetissow längst nicht mehr in Nordamerika. Die Geschichte geht weiter.

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