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Sport: Kleiner, feiner Eklat

Golfprofi Ian Poulter missachtet die Etikette

Etikette ist ein feiner Begriff. Nur hat er in Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit und trister werdenden Stadtteilen wie Hamburg-Billstedt oder Berlin-Neukölln für die allermeisten Menschen jegliche Relevanz verloren. Ein paar hundert Kilometer Luftlinie entfernt von Billstedt und Neukölln hat der traditionsreiche Royal &Ancient Golf Club of St. Andrews, kurz: R&A, seinen Sitz an Schottlands Ostküste. Der R&A, der in diesem Jahr sein 250-jähriges Bestehen feiert, bestimmt mit der US-Golf-Association, nach welchen Regeln das Spiel mit den kleinen weißen Bällen auszutragen ist. Hier hat der Begriff Etikette noch einen sinnhaften Klang, geht es dem R&A doch darum, die Benimmregeln auf dem Golfplatz zu erhalten.

Neben der Wahrung der alten Ideale des Spiels ist der zweite wesentliche Daseinsgrund des R&A die Ausrichtung der British Open. Seit Donnerstag wird die 133. Auflage des einzigen europäischen unter den vier wichtigsten Turnieren der Golfwelt, den so genannten Majors, im schottischen Troon ausgespielt. Und gleich zu Beginn gab es einen kleinen, feinen Eklat. Denn als der Engländer Ian Poulter, einer von insgesamt 156 qualifizierten Professionals, zum Start seiner Runde auf dem ersten Abschlag des Par-71-Linkskurses auftauchte, trug er eine dem Anlass in mindestens doppelter Hinsicht wenig angemessene Beinkleidung. Oder um es anders auszudrücken: Poulter wollte provozieren.

Das selbstbewusste Zurschaustellen einer „Union Jack“-Flagge in Schottland kann nach dem historisch schwierigen Verhältnis der Einheimischen mit ihren südlichen Nachbarn schon zu der ein oder anderen Verletzung führen. Poulter trug einen Union Jack in Hosenform, und der „Independent“ schrieb, Poulter habe dabei gewirkt wie eine Mischung aus Ginger Spice und Austin Powers.

Ian Poulter aus Milton Keynes ist ein Typ, der in der jüngeren Vergangenheit bei Golfturnieren in Europa mit Haartönungen in den Farben seines Lieblingsfußballklubs Arsenal London oder durch optisch wenig dezente Kleidung aufgefallen war. Stolz erzählte der 28-Jährige in Troon, dass er seine Union-Jack-Hosen bei einem Maßschneider in der berühmten Londoner Saville Row habe anfertigen lassen: „Ich mag es nicht, wie die meisten Spieler auftreten. Die sehen farblos und langweilig aus.“

Die schottischen Zuschauer in Troon nahmen die englische Provokation gelassen. Ihnen ist bewusst, dass ihre Vorfahren dieses Spiel erfunden haben, in dem Leute aus dem Süden der Insel wie Poulter seit jeher allenfalls gelittene Gäste sind. Beim R&A seinerseits gingen Beschwerdeanrufe wegen des Outfits ein. R&A-Geschäftsführer Peter Dawson erklärte, es existierten keine Regeln, die das Tragen von Union-Jack-Hosen untersagen. Außergewöhnliche Kleidung werde man nur verbieten, wenn sie andere Spieler ablenke. Offizielle des Royal Troon Golf Clubs sahen den Fall anders. „Wenn dies eine andere Woche im Jahr wäre“, sagte ein Mitglied, „hätten wir ihm in diesem Aufzug den Zugang zum Gelände verwehrt.“ Als hätte Poulter die Worte vernommen, zeigte er sich gestern gesitteter. Zur schwarzen, von hinten nach vorn gedrehten Kangol-Kappe trug er weiße Knickerbockers und schwarz-weiß karierte Kniestrümpfe.

Thomas Lötz

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