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Sport: Klinsmann auf Holländisch

Seit Trainerstar Bart Schouten die deutschen Eisschnellläufer betreut, glauben sie sogar an sich selbst

Berlin - Seine Schlittschuhe hat Tobias Schneider in die Sporttasche gesteckt, die um seine Schulter hängt. Er braucht die Schuhe heute nicht mehr, er hat genug geleistet. „Persönliche Bestzeit über 1500 Meter, persönlichen Rekord über 5000 Meter eingestellt, nicht schlecht“, sagt Schneider. Er grinst. Wirklich nicht schlecht für einen, der vor ein paar Monaten noch sicher war, „dass ich nicht 1500 Meter laufen kann, dass ich dort niemals unter die besten zehn komme“. Und jetzt? Zehnter über 1500 Meter beim Eisschnelllauf-Weltcup in Berlin, „und das auch noch in der A-Gruppe“. Dort stand er noch nie.

Der Mann, dem der Berliner das hauptsächlich zu verdanken hat, läuft gerade durch die Eishalle in Hohenschönhausen. Ein 37-jähriger, stämmiger Holländer mit blonden Haaren und wachem Blick. Bart Schouten. Seit fünf Monaten trainiert er die deutschen Eisschnellläufer, und das ist, als würde Jürgen Klinsmann einen Zweitligisten übernehmen. Schouten ist ein Star, er führte die Amerikaner Derek Parra und Chad Hedrick zu Olympiasiegen. Die deutschen Männer waren bislang, nun ja, Mitläufer.

Schouten versammelte sie zu seinem Dienstantritt in einem großen Raum in der Sportschule Bad Enndorf und sagte ihnen: „Ihr alle könnt Medaillen gewinnen.“ Seine Zuhörer überlegten, wer da vor ihnen stand. Ein Witzbold? Ein Sprücheklopfer? Oder meinte er das wirklich ernst? Schneider dachte damals: „Der kann mir viel erzählen. Er muss es erstmal beweisen.“ Schouten hatte Schneiders Skepsis genau registriert. „Er wollte mich testen“, sagt er und lächelt. Schneider ist seit Jahren im Geschäft, aber zu Medaillen hatte es nie gereicht.

Nach ein paar Wochen hatte Schouten den Test bestanden. „Mich hat sein Optimismus überzeugt“, sagt Schneider. „Er bringt einen dazu, dass man an sich glaubt.“ Jan Friesinger, stets im Schatten seiner Schwester Anni, die am Sonntag über 1000 Meter gewann, sagt: „Er kann sehr überzeugen.“

Schouten zog die Männer zu einer Trainingsgruppe nach Berlin zusammen, ein Wagnis, wie er durchaus einräumt. „Man weiß ja nicht, wie sie gemeinsam arbeiten.“ Aber seine Athleten zogen mit. Schouten legte gleich mal neue Maßstäbe fest. Bei einem Trainingslager in Erfurt verlangte er Rundenzeiten, bei denen seine Athleten aufstöhnten. „Nicht zu machen, viel zu schnell.“ Schouten wusste, dass es zu schnell war, aber er wollte die Sportler an neue Bereiche heranführen. Nach ein paar Wochen hatte er sie so weit. Sie liefen die Zeiten, die er wollte. Sie hatten erkannt, was alles möglich war. „Die Angst vor der Weltklasse ist weg“, sagt Schneider.

Sein Selbstbewusstsein ist stark gewachsen, stärker, als ihm lieb war. Vor zwei Wochen verkündete er sinngemäß, die Männer seien bald auf Augenhöhe mit den Frauen, mit Claudia Pechstein und Anni Friesinger. Pechsteins Antwort: „Tobias lehnt sich sehr weit aus dem Fenster.“ Der 25-Jährige grinst. „Stimmt“, sagt er, „ich habe da zwei, drei flotte Sprüche gemacht, weil ich keine Erfahrung mit Medienleuten hatte.“ Er habe sich „bei den Frauen schon entschuldigt“. Andererseits, er grinst wieder: „Ein wenig Euphorie muss man einem auch zugestehen.“

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