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Sport: Klinsmann kapituliert vor der Realität

Wer zur WM will, muss nun doch kein Stammspieler im Verein sein

Robert Huth ist seinen Kollegen aus der Abwehr der deutschen Fußball-Nationalmannschaft einen entscheidenden Schritt voraus. Anders als Per Mertesacker, Lukas Sinkiewicz und Christoph Metzelder spielt Huth mit seinem Verein, dem FC Chelsea, in der Champions League, und tatsächlich hat er bei beiden Champions-League-Begegnungen dieser Saison sogar auf dem Feld gestanden. Wirklich aufregend war diese Erfahrung für ihn allerdings nicht. Der 21 Jahre alte Innenverteidiger ist zweimal eingewechselt worden – jeweils in der Nachspielzeit.

An Huths unbefriedigender Situation in London hat sich seit dem Sommer wenig geändert: Bei Chelsea kommt er weiterhin kaum zum Einsatz, die Reisen zur Nationalmannschaft sind für ihn eine Art Beschäftigungstherapie. Schon in der vorigen Saison hat Huth mehr Länder- als Ligaspiele bestritten, und trotzdem zählt er jetzt wieder zum Kader der Nationalmannschaft für die Begegnungen in der Türkei und gegen China. Nach den strengen Kriterien des Bundestrainers dürfte das eigentlich nicht sein. Jürgen Klinsmann hat immer wieder angekündigt, dass er für die Weltmeisterschaft nur Spieler berücksichtigen werde, die in ihren Vereinen einen Stammplatz haben.

Der Bundestrainer hat letztlich vor der Realität kapituliert. Ein Stammplatz im Verein? „Das wäre ideal“, sagt Klinsmann. „Aber wir wissen sehr wohl, dass das nicht bei allen der Fall sein kann.“ Denn Huth ist nicht der Einzige, dem die Spielpraxis fehlt. Den Stuttgartern Andreas Hinkel und Thomas Hitzlsperger geht es ähnlich, auch Sebastian Deisler hadert mit seinem Status bei den Bayern; am Samstag durfte er erstmals in dieser Saison durchspielen. Und selbst für Bastian Schweinsteiger, den Aufsteiger des Confed-Cups, hat sich der Einstieg in die neue Spielzeit unerwartet schwierig gestaltet. Inzwischen spielt er regelmäßig, zuletzt allerdings als linker Außenverteidiger.

„Diese Fälle sehen wir nicht so dramatisch“, sagt Klinsmanns Kotrainer Joachim Löw. „Huth ist eher ein Problem. Er hat nicht gespielt – über Monate hinweg.“ Die Folgen waren beim Confed-Cup zu besichtigen: „Robert wusste nicht genau: Wie verhalte ich mich in den Zweikämpfen. Dadurch ist er oft einen Schritt zu spät gekommen.“ Erst im Laufe des Turniers, wurde die Koordination besser. „Nur in den Wettkämpfen holst du dir die Sicherheit“, sagt Löw. Deshalb wird immer wieder darüber spekuliert, dass Huth vor der WM doch noch den Verein wechselt. Klinsmann sagt dazu: „Wir nehmen keinen Einfluss darauf, was im Verein abläuft.“ Die treffende Formulierung wäre wohl: Wir haben leider festgestellt, dass wir keinen Einfluss haben. Denn Versuche einer Lobbyarbeit hat es sehr wohl gegeben. Erst vorige Woche hat sich Manager Oliver Bierhoff über Hitzlspergers Situation in Stuttgart beschwert, und im Sommer hat er sich einigen Ärger mit den Bayern eingehandelt, weil er Sebastian Deisler einen Wechsel zum HSV empfohlen hatte. Klinsmann selbst sagt immer wieder, dass er mit Chelseas Trainer Jose Mourinho regelmäßigen Kontakt pflege. Die Situation von Robert Huth hat sich dadurch trotzdem nicht verbessert.

Es geht auch um Klinsmanns Glaubwürdigkeit vor der Mannschaft, jetzt, da erste Hinweise auf die Zusammensetzung des Aufgebots zu erkennen sind. Spieler wie Christian Wörns haben sich darauf verlassen, dass es allgemein gültige Auswahlkriterien gibt. Dass sie zu seinem Nachteil außer Kraft gesetzt wurden, erklärt seine heftige Reaktion auf die Nicht-Nominierung. „Es war ein sehr deutliches Zeichen, den Kader einzuengen“, sagt Klinsmann. „Die Spieler, die jetzt dabei sind, wissen, dass sie im Moment die Nase vorn haben.“ Und von diesen Spielern, dem Kern der Mannschaft, verlangt der Bundestrainer nun, „dass sie einen gewissen Rhythmus aufnehmen“. So wie es aussieht, ist es bei einigen allerdings immer noch ein sehr gemächlicher Rhythmus.

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