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Jürgen Klinsmann

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Update

Fußball: Klinsmann neuer Nationaltrainer der USA

Zwei Jahre nach seinem Rauswurf bei den Bayern arbeitet Jürgen Klinsmann wieder als Trainer - er soll die USA zur Weltmeisterschaft 214 in Brasilien führen.

Jürgen Klinsmann hat sich rar gemacht in Deutschland, seitdem er vor zwei Jahren als Trainer beim FC Bayern München entlassen worden ist. Anfang dieser Woche aber hat er sich in einem Interview mit dem „Kicker“ erstmals seit langem wieder ausführlich zu Wort gemeldet, über seine Zeit in Deutschland und seine aktuellen Projekte geredet, „alles im Hintergrund, ohne Öffentlichkeit“. Bei dieser Gelegenheit wurde Klinsmann auch gefragt, ob er auf die Trainerbank zurückstrebe. „Nein, ich bin nicht aktiv auf der Suche nach einem Trainerjob“, antwortete er, „wobei ich weiß, dass im Fußball immer schnell Dinge über Nacht passieren können.“ Am Donnerstag war es so weit: Da trennte sich der amerikanische Fußballverband von Nationaltrainer Bob Bradley, am Freitag präsentierte er Jürgen Klinsmann als dessen Nachfolger.

„Ich fühle mich stolz und geehrt, zum Nationaltrainer der US-Männermannschaft ernannt worden zu sein“, ließ Klinsmann in einer Erklärung des Verbandes mitteilen. Er soll die Amerikaner zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien führen, über die Dauer seines Vertrages wurde nichts Näheres mitgeteilt. Erstmals wird Klinsmann, der heute seinen 47. Geburtstag feiert,die Amerikaner am 10. August in einem Testspiel gegen Mexiko in Philadelphia betreuen.

Für den Wahl-Kalifornier ist es das dritte Engagement als Trainer, das zweite als Nationalcoach. Als er 2004 nach der erfolglosen Europameisterschaft Bundestrainer wurde, erhielt er beim Deutschen Fußball-Bund beinahe unbegrenzte Machtbefugnisse. Klinsmann nutzte sie, um die Nationalmannschaft von Grund auf zu reformieren. Das Resultat war immerhin Platz drei bei der Heim-WM zwei Jahre später. Bei den Bayern verfolgte Klinsmann 2008 ähnliche Ziele. Er war verpflichtet worden, um den Verein in die Moderne zu führen. Doch das Projekt scheiterte, Klinsmann wurde bereits vor Ablauf seiner ersten Saison unehrenhaft entlassen.

Trotz dieser unerquicklichen Episode ist Klinsmann in den vergangenen Jahren immer wieder als Nationaltrainer gehandelt worden: in Südafrika genauso wie in England und auch schon in den USA. „Er ist ein sehr erfolgreicher Spieler und Trainer, der die Erfahrung und das Wissen besitzt, um unser Projekt voranzubringen“, sagt US-Verbandschef Sunil Gulati. Auch Nationalspieler Steven Cherundolo von Hannover 96 freut sich auf seinen neuen Vorgesetzten, von dem er „neue Ideen und neue Strukturen“ erwartet.

Klinsmann lebt mit seiner Familie seit Jahren in den USA. Auch als Bundestrainer hat er seinen Lebensmittelpunkt in Kalifornien nicht aufgegeben, weil er dort nicht permanent im Fokus der Öffentlichkeit steht. Ein Fußballer aus Europa ist jenseits des Atlantiks keine große Nummer. Kasey Keller, der frühere Nationaltorhüter der USA, hat vor der WM 2006 einmal eine Anekdote erzählt, die er von Klinsmann selbst erfahren hatte. Bei einem Fußballtraining seines Sohnes sei Klinsmann von einem anderen Vater darauf angesprochen worden, was man im Training noch besser machen könnte. „Jürgen!“, sagte der. „Du bist doch Deutscher, oder? Du kennst dich doch in diesem Sport aus. Was sollen wir mit den Kids machen?“ Dass Klinsmann in diesem seltsamen Sport Welt- und Europameister geworden war, wusste der Fußballvater natürlich nicht.

Der interessierten Öffentlichkeit war Klinsmann aber auch im Fußball-Entwicklungsland USA schon länger ein Begriff. Das führende Magazin „Sports Illustrated“ hat ihm einmal eine große Geschichte gewidmet, in der ein prophetischer Satz zu lesen war: „Wenn man jemanden sucht, der Amerikaner dazu veranlassen soll, sich für Fußball zu begeistern, oder Deutschland in der Welt beliebter zu machen – Klinsmann wäre die perfekte Wahl dafür.“ Das war 1993, ein Jahr, bevor die USA die Fußball-WM ausrichteten.

Ein paar Jährchen und eine WM in Deutschland später lässt sich feststellen, dass die Vorhersage von einst nicht ganz an der Realität vorbeigegangen ist. Die Weltmeisterschaft 2006 hat auch das Bild von Deutschland in der Welt und die Deutschen selbst verändert. Mindestens den deutschen Fußball aber. Klinsmann war daran maßgeblich beteiligt. Kurz bevor der seinen Job als Bundestrainer auslaufen ließ, versammelte sich eine Million Menschen am Brandenburger Tor, um ihn zum Weitermachen zu überreden. Alle hatten sie Angst, dass die Aufbruchstimmung, die Klinsmann ausgelöst hatte, im Alltag verloren geht, wenn es Klinsmann ins Privatleben zurückzieht. Diese Angst war am Brandenburger Tor zu spüren. Die Masse kämpfte um ihren Bundestrainer.

Mit ihrer Euphorie wollte sie Klinsmann in einer schwachen Sekunde verführen. So wie er seine jungen Spieler mit seinem Mut, seinen Ideen und seiner Energie verführt hatte. Klinsmann hatte der Mannschaft, die nicht über allzu große Qualitäten verfügte, einen fast übersinnlichen Glauben an ihre Stärke vermittelt. Und mit jedem Sieg glaubten die Spieler mehr an sich und die Machbarkeit ihres Unterfangens, nämlich Weltmeister zu werden. Etwas Ähnliches wird nun auch dem amerikanischen Verband vorschweben.

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