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Laute Welle. Behinderte indische Athleten protestieren vor dem Ministerium. Foto: AFP

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Sport: Klopapier für 89 Dollar pro Rolle

Korruption, Dauerregen und eine Dengue-Epidemie gefährden die Commonwealth-Spiele in Indien

Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, könnte sich Indien ausgerechnet bei jenem Prestigeereignis blamieren, das zeigen sollte, dass das Land inzwischen in der Weltliga mitspielt. Voller Stolz hatte Indien 2003 den Zuschlag ergattert, erstmals die Commonwealth Games 2010 auszurichten. Diese sind hierzulande wenig bekannt, aber in Großbritannien und seinen ehemaligen Kolonien sind sie das wichtigste Sportfest nach den Olympischen Spielen und der Fußball-WM.

Sie sind so wichtig, dass normalerweise sogar die Queen zur Eröffnung anreist. Nur schwante der betagten Dame diesmal offenbar nichts Gutes. Erstmals in 44 Jahren will sie Prinz Charles entsenden. Dabei ist es das größte Sportereignis, das je in Indien ausgetragen wurde und es sollte zeigen, dass das Schwellenland locker mit anderen Aufsteigern wie China und Südafrika mithalten kann. Vom 3. bis 14. Oktober sollen sich die 71 Teams der Commonwealth-Länder in Delhi sportlich messen.

Doch kaum ein Tag vergeht ohne Hiobsbotschaften. Knapp sechs Wochen sind es noch bis zum Startschuss, doch fast alle Bauten sind hinter Plan. Dabei sind die Kosten für das Mega-Event von 500 Millionen auf 4,6 Milliarden Dollar hochgeschossen. Unsummen versandeten allerdings in dunklen Kanälen. Wie schamlos sich die Organisatoren offenbar bereicherten, verschlägt selbst den leid- und korruptionsgewohnten Indern die Sprache.

Die Herren mieteten nicht nur völlig überteuerte Geräte an und schanzten dubiosen Firmen Aufträge zu, angeblich veranschlagten sie sogar 89 Dollar pro Rolle Toilettenpapier. Auch bei den Bauten wurde derart geschlampt und gepfuscht, dass viele schon wieder zusammenbrechen. Die Verhässlichung der Stadt, wie man es nennen sollte, hat jeden Bewohner Delhis in Rage gebracht, ärgert sich die „Hindustan Times“. Hat sich Indien verhoben, fragen Kritiker.

Obendrein spielt nun das Wetter verrückt. Delhi versinkt im stärksten Monsun seit einem Jahrzehnt. Die Angst wächst, dass die Spiele ins Wasser fallen, in einigen Stadien tropft es von den Decken, andere fallen ein. Es schüttet wie aus Kübeln, die Baustellen gleichen Schlammlöchern. Das freut die Moskitos, die im brackigen Wasser brüten und dann auf der Suche nach Blut ausschwärmen. Delhi erlebt eine Dengue-Epidemie; die Krankenhäuser sind voll. Dies könnte viele ausländische Besucher weiter verschrecken.

Die australische Sportveteranin Dawn Frazer ging sogar soweit, zum Boykott der Spiele aufzurufen. Sie warnte vor einem zweiten München 1972, die Sportspiele könnten Terrorziel sein. Auch in Indien gibt es vehemente Kritiker. „Ich werde diese zwei Wochen außer Landes sein. Ich will die Spiele nicht mitansehen“, sagt der Kongresspolitiker Mani Shankar Aiyar. In letzter Minute schritt nun Premierminister Manmohan Singh ein und versucht, zu retten, was zu retten ist. Er entmachtete die bisherigen Zuständigen und setzte eine Krisenkommission ein, um ein peinliches Debakel abzuwenden.

Zumindest eine Branche zweifelt nicht am Erfolg des Sportfestes: Das älteste Gewerbe der Welt. Die Preise für Elite-Callgirls sollen sich während der Spiele mehr als verdoppeln.

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