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Drei gehen voran: Lewan Kobiaschwili, Felix Bastians und Fanol Perdedaj (v. l. n. r.) führten Hertha durch ihren Einsatzwillen zum Sieg gegen Bremen.

© rtr

Kobiaschwili sei Dank: Hertha siegt mit Gefühl und Gerüst

Hertha BSC verlässt mit dem 1:0 gegen Werder Bremen das Tal der Aussichtslosigkeit und genießt den ersten Sieg nach einer gefühlten Ewigkeit. Ein Routinier hat dabei eine besondere Rolle gespielt.

Dem besten Mann ging es gar nicht gut. Lewan Kobiaschwili, der Hertha BSC am Samstag über Bremen nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder zu einem Sieg geführt hat, war erkältet. Kobiaschwili hatte sich völlig verausgabt. Man muss dazu wissen, dass der Georgier so etwas ist wie der Rehhagel unter den Spielern. Vom Alter her ist dem Rest des kickenden Personals entrückt, er steht mitten im vierten Lebensjahrzehnt, hat 100 Länderspiele bestritten, debütierte in der Bundesliga im vorigen Jahrtausend und hat in über 300 Einsätzen einen großen Erfahrungsschatz angehäuft. „Ich habe ihm vor der Mannschaft ein besonderes Lob ausgesprochen“, sagte Rehhagel am Sonntag. „Was der gelaufen ist“, sei eingedenk seines Alters beispielhaft für die „übrigen jungen Leute“, wie Rehhagel sagte. Und dann schloss der 73-Jährige die Augen zur Hälfte, rezitierte ein paar der üblichen Rehhagelschen Altersweisheiten und berauschte sich ein wenig an sich selbst.

Am Tag eins nach Herthas Wiederbelebung war das aber alles nur halb so schlimm. Die Erleichterung, die der Sieg mit sich führte, war greifbar. Beim Auslaufen wurde geschwatzt und gealbert. Zeichen einer neuen Heiterkeit?

Man muss ja sehen, wo diese Mannschaft herkommt. Aus dem Tat der Aussichtslosigkeit. Das letzte Mal hatte Hertha ein Heimspiel am 1. Oktober des vergangenen Jahres gewonnen. Der letzte Sieg überhaupt lag auch schon vier Monate zurück. Dazwischen lag eine bleierne Zeit von zwölf sieglosen Spielen und mithin ein unaufhaltbar anmutener Absturz bis an den Rand zur Unterklassigkeit. „Wenn wir verloren hätten, wäre es düster geworden“, sagte Rehhagel.

Der Sonntag war ein Tag des Aufatmens. Was Hertha fußballerisch anbot, war nicht viel, wie Rehhagel sagte, aber darum konnte es auch nicht gehen. Kämpferisch war eine Steigerung zu sehen. „Wir haben die Mannschaft die wir haben“, sagte Rehhagel: „Damit müssen wir zurecht kommen.“ Die Mängel wollte der Trainer mal ein ein paar Stunden beiseite geschoben wissen. So ein Sieg muss erst einmal zur Entfaltung kommen, um Wirkung zu erzielen. Denn es war vor allem ein Sieg fürs Gemüt. „Es war ja erdrückend hier für alle“, sagte Rehhagel. Jetzt aber hätten alle ein besseres Gefühl. Mit dem Sieg über Bremen kehre der Glaube zurück, „der Glaube, es auch gegen bessere Mannschaften schaffen zu können“, wie Christoph Janker sagte. Er selbst bot eine solide Leistung als Innenverteidiger, eine, die Vertrauen schafft. „Selbstvertrauen schenkt einem keiner“, das müsse man sich erarbeiten und erfahren. Ein Anfang ist gemacht.

Die Konkurrenz punktet auch

Begünstig wurden Herthas Bemühungen sicher auch durch das lasche Auftreten des Gegners. Denn zur Wahrheit des Sieges gehört auch, dass die Bremer, eine fußballerisch begabtere Mannschaft, außergewöhnlich träge und harmlos spielte. Werders Geschäftsführer Klaus Allofs war außer sich. „Ich möchte der Hertha nicht zu nahe treten, aber die Mannschaft war völlig verunsichert und hat im Moment nicht die Klasse. Wir müssen hier die drei Punkte mitnehmen“, sagte er.

Das schmälert nicht die Leistung der Berliner, doch der Sieg sollte ihnen nicht den Blick verstellen. So argumentierte auch Christian Lell, Herthas Vize-Kapitän. Spielerisch sei die Mannschaft nicht so stark, daher müsse man über die Tugenden wie Laufbereitschaft, Wille und engagiertes Zweikampfverhalten kommen. „Wenn wir nicht so auftreten wie gegen Bremen, werden wir in dieser Liga aufgefressen“, sagte Christian Lell. Man dürfe jetzt nicht bequem werden und sich sagen: „Das wird schon.“ Im Gegenteil. „Wir haben jetzt in Köln die Riesenchance, denen die Punkte zu stehlen. Der Sieg über Bremen sollte uns Auftrieb geben.“

Für Christoph Janker ist der Sieg ein erster Schritt gewesen, aber auch ein nötiger, schaut man auf die Ergebnisse der Abstiegskonkurrenten. Augsburg und Kaiserslautern haben gepunktet, Freiburg sogar gewonnen. Bei Hertha habe jeder, wirklich jeder, den Kampf gegen den drohenden Abstieg angenommen.

Für einen Tag genoss die Mannschaft das neue Gefühl und das neue Gerüst. Gegen die Bremer hatte Rehhagel das Team auf vier Positionen verändert. Vor allem die Bestückung der defensiven Schaltzentrale durch Kobiaschwili und des jungen Debütanten Fanol Perdedaj, 20, war mutig, ging aber auf. „Der Trainer hat die Verantwortung dafür auf sich genommen, es hätte ja auch schief gehen können“, sagte Lell. Für das Spiel am kommenden Samstag in Köln stehen Andreas Ottl und Peter Niemeyer wieder zur Verfügung, die gegen Bremen gesperrt waren. Damit hat Rehhagel im zentralen Mittelfeld ein Überangebot.

Lewan Kobiaschwili dürfte gesetzt sein. Auf dessen Erfahrung und Stressresistenz will Otto Rehhagel setzen. Eine Erkältung wird Kobiaschwili nicht aufhalten. Doch kann sich Hertha in der Liga halten? Der freie Fall ist gestoppt. Fürs Erste. Doch wie weit trägt ein Sieg und das neue Gefühl?

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