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Kein Blinder. Patrick Helmes spielte 13 Mal für die Nationalelf.

© picture-alliance/ dpa

Kölner Torjäger Patrick Helmes: Zurück auf Start in der Zweiten Liga

2008 galt Patrick Helmes als Deutschlands aufregendster Stürmer. Nach fünf Jahren voller Pech spielt er nun wieder für den Zweitligisten 1. FC Köln, mit dem er am Montag auf Union trifft.

Erst mal die Geschichte mit dem Mittellandkanal. Patrick Helmes muss sie oft erzählen, sie handelt von der Demütigung eines Fußball-Nationalspielers, der beim neureichen VfL Wolfsburg mit Geld überschüttet und doch nicht glücklich wird, weil er eben nicht mehr Fußball spielen darf, sondern laufen muss. Mittellandkanal rauf, Mittellandkanal runter. Am Ende der Geschichte flieht Helmes in die Zweite Liga, zurück zu seinem Heimatklub 1. FC Köln, mit dem er am Montag zum Spitzenspiel den 1. FC Union empfängt.

Patrick Helmes sagt: „Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können!“

Es ist noch gar nicht so lange her, da war Patrick Helmes der aufregendste Stürmer, den der deutsche Fußball zu bieten hatte. Einer, der sich selten die Mühe machte, den Ball zu stoppen, sondern ihn sofort und direkt aufs Tor schoss, mit links und rechts und Urgewalt und Präzision. Helmes gehörte schon als Kölner Zweitligaspieler zur Nationalmannschaft, verpasste knapp eine Nominierung für die EM 2008, wechselte nach Leverkusen, kam dort mit Jupp Heynckes nicht zurecht, wurde durch einen Kreuzbandriss zurückgeworfen und dann von Dieter Hoeneß nach Wolfsburg gelockt. Zwei Wochen später war für Hoeneß in Wolfsburg Schluss. Es kam Felix Magath und mit ihm die Geschichte von den einsamen Trainingsläufen am Mittellandkanal.

Patrick Helmes ist jetzt 29 Jahre alt, und er erzählt gern von der Wolfsburger Zeit. Und von Felix Magath. Dass er zum Laufen abgeschoben wurde und in die zweite Mannschaft – „war nicht schön, aber ich habe das nach meinem schlechten Start in Wolfsburg als Chance gesehen, als Neuanfang. Ich hätte mich ja auch weigern können, das haben ja einige Wolfsburger Profis gemacht. Aber Magath hat mir das schlüssig erklärt und ich habe davon profitiert.“ Die Rehabilitationsphase dauerte vier Monate, dann war er wieder Stammspieler in der Bundesliga. Das war im Frühjahr 2012, es reichte in den zehn Spielen bis zum Saisonende noch zu zehn Toren, und beinahe wäre Helmes sogar mit zur Europameisterschaft gefahren. Bundestrainer Joachim Löw entschied sich dann doch für den Stuttgarter Cacau, ließ Helmes aber ausrichten, wie sehr er sich über dessen Entwicklung freue.

Helmes sagt, er sei in seiner Karriere noch nie so fit gewesen wie in dieser Zeit unter Magath: „Unter ihm habe ich begriffen, was profigerechtes Leben bedeutet.“ Was der Geschichte fehlt, ist ein klassisches Happy End. Erst erlitt Helmes in der Vorbereitung auf die Nach-EM-Saison zum zweiten Mal einen Kreuzbandriss, mit die furchtbarste Verletzung, die einen Fußballspieler treffen kann. Als er sich ein halbes Jahr später wieder gesundmeldete, war Magath längst entlassen. Helmes kam noch auf vier Bundesligaspiele für den VfL, aber der neue Trainer Dieter Hecking hatte andere Pläne und wusste nichts Rechtes anzufangen mit dem Stürmer, den er aus Magaths Konkursmasse geerbt hatte.

Von Köln über Leverkusen zu Wolfsburg und nun zurück nach Köln

Mit 29 stand Helmes mal wieder vor einer Richtungsentscheidung. So wie schon zu seiner Jugendzeit, als er für den 1. FC Köln zwar Tore in Serie schoss, aber sie ihn im Vorstand nicht geeignet für den Profifußball hielten. „Ich war klein und schmal und habe meinen Wachstumsschub erst ziemlich spät bekommen“, sagt Helmes. Also ging er in die Dritte Liga, schoss die Sportfreunde Siegen zum Aufstieg und machte nebenbei eine Elektrikerlehre. „Kannst du nie wissen, wofür du das mal brauchst.“ Am Ende aber rief wieder der 1. FC Köln, mit dem er erst aus der Bundesliga abstieg. In der Zweiten Liga lief es besser und Helmes sagt, dass er eigentlich ganz gern geblieben wäre. Es sei allerdings kein konkretes Angebot für eine Verlängerung des Vertrages gekommen, und natürlich hat ihn die Anfrage aus Leverkusen gefreut.

Im Januar 2007 waren sich beide einig, aber weil Köln eine im Vertrag festgeschriebene Option zog, kam der Wechsel erst im Sommer 2008 zustande. Vorher schoss Helmes den Effzeh noch schnell mit 17 Toren zum Aufstieg, aber auch das mochte die Ultras im Kölner Fanblock kaum befrieden. Zu den Pillendrehern, na klasse! Diese Geschichte hat er all die Jahre mit sich rumgeschleppt, und dass er gleich in seiner ersten Leverkusener Saison in Köln einen Elfmeter verwandelte, trug auch nicht zur Steigerung der Beliebtheit bei. Und dennoch: Als im Herbst 2013 die Entscheidung über die weitere Zukunft fällig war und auch ein paar Erstligisten anfragten, stand für Patrick Helmes fest: „Wenn das mit einer Rückkehr nach Köln klappt, interessiert mich alles andere nicht.“

Warum geht einer nach 13 Länderspielen und 45 Toren in 98 Spielen freiwillig in die Zweite Liga? „Es hat schon andere Angebote gegeben“, sagt Helmes, „aber auch ich habe mich verändert. Und ich weiß, wie wichtig ein gutes Umfeld ist.“ Sieben Minuten fährt er zum Training am Geißbockheim. Beim ersten Spiel in Cottbus gelang ihm gleich mit dem ersten Ballkontakt das erste Tor. Und dennoch hing eine Woche später zur Heimpremiere gegen Kaiserslautern im Fanblock ein Transparent mit der Chiffre „ALAB“, sie steht für: „All Leverkuseners Are Bastards.“

Patrick Helmes sagt: „Himmel, das ist doch jetzt so lange her, damals war ich 22 und die überwältigende Mehrheit der Fans hat damit heute kein Problem“, aber natürlich wolle er auch gern den letzten Ultra mit Leistung überzeugen. Sechsmal hat er jetzt in der zweiten Liga gespielt und zwei Tore geschossen. Der Eingewöhnungsprozess läuft noch und wird auch zum Spitzenspiel gegen Union noch nicht abgeschlossen sein, „aber ich bin kein Blinder und weiß schon, was ich kann“. Und was die verpassten Karrierechancen betrifft: „Für die Verletzungen kann ich nichts, ich hatte halt Pech“, der Rest sei egal. Vor ein paar Wochen saß er auf Einladung des DFB auf der Tribüne des Kölner Stadions und schaute zu, wie die Nationalmannschaft sich beim 3:0 über Irland für die WM in Brasilien qualifizierte. Hat das nicht doch ein bisschen wehgetan…? „Nein“, sagt Patrick Helmes, „überhaupt nicht!“

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