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Sport: Körpersprache beginnt im Kopf

Herthas Mentaltrainer Gerd Driehorst weiß, wie man Spiele gewinnt – aber Tore müssen andere schießen

Von Michael Rosentritt

Berlin. Es war eine der ersten Amtshandlungen von Huub Stevens. Der neue Trainer von Hertha BSC traf eine Entscheidung in zwei personellen Angelegenheiten. Während für Carsten Schünemann eine neue Stelle als Konditions- und Rehabilitationstrainer geschaffen worden war, wurde der Mentaltrainer Gerd Driehorst zum Stillhalten verdonnert. Im Juli im Trainingslager stellte der Pressesprecher des Vereins auf Drängen von Stevens klar: „Wir haben den Mentaltrainer nicht mitgenommen, weil sich Huub Stevens in dieser Hinsicht erst einmal ein eigenes Bild von der Mannschaft machen will.“

Vier sieglose Bundesligaspiele später reiste gestern der Verein mit dem Zug nach Bielefeld, wo der Klub heute in der Fußball-Bundesliga gegen den Aufsteiger Arminia Bielefeld spielt – ohne Mentaltrainer. Es ist nicht ganz klar, ob Huub Stevens gesteigerten Wert auf die Künste des Mannes legt. Dabei ist es gar nicht so lange her, als man sich bei Hertha darüber noch sehr sicher war. Vor genau einem Jahr, damals noch unter Trainer Jürgen Röber, wurde in Gerd Driehorst extra ein Psychologe angestellt, der als Mentaltrainer ein paar Prozentpunkte mehr Leistungsvermögen aus den Spielern herauskitzeln sollte. Das hätte die Mannschaft momentan auch nötig. Hertha ist derzeit so etwas wie ein Patient. Die Mannschaft, die sich vor kurzem bei einem Drittligisten blamierte und in der Bundesliga einen glatten Fehlstart hinlegte, präsentiert sich desolat, wirkt bisweilen gehemmt und gelähmt. Während die sportliche Führung auch nach der Niederlage in Kiel glaubte, die Mannschaft könne die Blockade selbst lösen, hat Manager Dieter Hoeneß nach der Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach die Prämienzahlung aus dem Gewinn des Ligapokals ausgesetzt.

„Ob ich dabei bin, oder nicht, ist gar nicht so wichtig“, sagt Gerd Driehorst. „Kein anderer, sondern nur die Spieler selbst können sich da unten auf dem Platz nach vorn bringen. Mentales Coaching findet im Hintergrund, im Verborgenen statt. Übrigens nicht nur in Krisenzeiten.“

Für den Mentaltrainer ist „die Verunsicherung augenscheinlich“. Die Situation sei der von vor einem Jahr ähnlich. Nach dem Fehlstart in die vergangene Saison habe die Mannschaft noch eine der besten Hinrunden überhaupt gespielt. Wichtig sei jetzt, Ruhe zu bewahren und den Zusammenhalt zu stärken. „Eine Mannschaft löst solche Probleme nie allein“, sagt Driehorst. Im Hintergrund werde daran gearbeitet. „Es ist doch klar, dass jetzt jeder Spieler darauf achtet, sein eigenes Spiel erst einmal auf die Reihe zu kriegen.“ Auch das führe zu Verkrampfungen. „In solchen Verkrampfungen steckt eine unglaubliche Energie. Sie müssen gelöst werden, damit das Leistungspotenzial wieder freigesetzt werden kann.“ Wann das passieren wird, weiß auch er nicht. „Aber es wird passieren“, sagt Driehorst. „Die Mannschaft wird reagieren.“ So etwas geht oft von einem Tag auf den anderen. Meist ist ein Sieg, egal wie er zu Stande kam, der Auslöser. Den augenblicklichen Druck müsse der Spieler als Herausforderung ansehen. „Jeder hat Prügel gekriegt, der Trainer, die Spieler.“ Jetzt komme es darauf an, „sich zu wehren“. Das sei der Spieler sich selbst, den Fans und dem Verein gegenüber schuldig, sagt Driehorst. Der Spieler müsse versuchen, die Situation nicht als Bedrohung zu empfinden, „denn daraus folgt die Angst vor dem Misserfolg“, sagt Driehorst. Angst ist reell. Wie die Spannung vor einem Spiel. Und sie wird steigen, sagt Driehorst. „Entweder der Spieler erstarrt und wirkt wie paralysiert, oder aber er entwickelt die Kräfte zum Kämpfen.“

Was man jetzt nicht gebrauchen könne, „ist eine Schwächenorientierung. Das Selbstvertrauen ist unter die Räder gekommen“. Die Spieler müssen sich darauf besinnen, was sie alles können. Körpersprache beginnt im Kopf. „Die Grundtugenden kommen dann von allein“, sagt Driehorst. Mal sehen, ob die Sätze in Bielefeld angekommen sind.

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