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Mittlere Reihe links: Trainer Steffen Beck, der Uwe Neuhaus von Unions Frauenmannschaft.

© 1. FC Union

Kolumne Berliner Fußball: In Köpenick geht’s auch gemächlich

Im Schatten der erfolgreichen Männermannschaft entwickelt sich auch das Frauenteam des 1. FC Union prächtig, wie unser Kolumnist herausgefunden hat. Nur läuft hier alles eine Nummer entspannter ab und auch der große Konkurrent ist eigentlich keiner.

Es ist Wochenende in Köpenick und der 1. FC Union Berlin spielt. Aber die Straßen sind leer. Es gibt keine Polizei und kein Gedränge an der S-Bahn-Station Köpenick. Es wird auf dem Weg zur Alten Försterei kein Bier verkauft und im Wald wird nicht endlos gepinkelt. Es gibt keine freudigen Gesänge über Torsten Mattuschka und auch die Taktik von Uwe Neuhaus wird nicht diskutiert. Was ist denn hier los?

Keine Sorge! Wir sind nicht in einer Parallelwelt gelandet. Für dieses Spiel heißt Mattuschka Julie Illmann und Trainer Neuhaus heißt Steffen Beck. Die Frauenmannschaft des 1. FC Union Berlin spielt – und zur Zeit machen sie das sehr erfolgreich. Bis jetzt haben sie alle Heimspiele souverän gewonnen, zuletzt gegen Wernigerode sogar 11:0. Die Mannschaft liegt auf dem dritten Platz in der Regionalliga, nur zwei Punkte hinter Eintracht Leipzig und Erzgebirge Aue. „Zwei Punkte sind nichts“, sagt Beck, „wir haben erst acht Spiele hinter uns. Es ist noch viel drin in beide Richtungen.“

Die Union-Ladies erhalten vom Verein viel Rückhalt, deswegen gibt es auch keine Angst vorm Aufstieg. Die Unterstützung erfolgt nicht nur in Form von Geld. „Der Verein steht voll hinter der Frauenmannschaft. Die posten über uns auf der Internetseite, es gibt Berichte, da wird schon das Nötige getan“, erzählt der Trainer. „Und es gibt auch ab und zu Spielberichte von uns im Stadionheft bei den Spielen der Männer.“

Trotz dieser Unterstützung spielen die Union-Ladies normalerweise nur vor etwa 50 bis 100 Zuschauern. Es ist schwer, sich ein Spiel des 1. FC Union ohne Gesänge, ohne Atmosphäre, ohne dieses besondere Köpenick-Gefühl vorzustellen. Selbst die Spiele der zweiten Männermannschaft im ungeliebten Jahn-Sportpark haben immer ein paar hundert Zuschauer. „Es gibt zu wenig Aufmerksamkeit“, gibt Beck zu. „Es wird zwar immer besser, aber natürlich ist das noch zu wenig.“

Beck bleibt jedoch realistisch. „Turbine Potsdam spielt in der Bundesliga und regelmäßig in der Champions League, die kommen auch nur auf ein paar tausend Zuschauer“, erklärt er. „An Spieltagen gibt es einfach zu viele Möglichkeiten in Berlin. Wir sind zufrieden mit dem aktuellen Stand, es ist besser als es noch vor zwei Jahren war. Es wäre natürlich noch schöner, wenn mehr Leute Spaß am Frauenfußball hätten, aber es ist einfach nichts für Jedermann.“

Apropos Turbine Potsdam: Von denen hatte ich immer den Eindruck, dass sie wie Bayern München wären. Ein Verein, der einfach all die besten Spieler der Region auffrisst, damit es keine Konkurrenz gibt. Falsch! Wirklich sehr falsch. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu Turbine“, erklärt Union-Coach Beck. Oft wechseln Spielerinnen zwischen den beiden Klubs, und Beck ist überhaupt nicht verbittert,  wenn er eine gute Spielerin verliert. „Im Endeffekt geht es beiden Vereinen um die Spielerinnen und ihre Entwicklung und nicht um eigene Befindlichkeiten. Da es im Frauenbereich nicht nur um Geld geht, ist das alles ein bisschen einfacher.“

Beck stehen viele ehemalige Jugendnationalspielerinnen zu Verfügung – Illman hat für Deutschlands U 15 gespielt, und Verteidigerin Bianca Joswiak war für die deutsche U 19 aktiv. „Die nächste Schritte sind dann aber oft zu schwierig“, erklärt Beck. „Um dauerhaft in der Nationalmannschaft zu spielen, müssen sie in einen anderen Verein gehen.“ Für viele Spielerinnen ist das aber wiederum wegen dem Zeitaufwand einfach nicht möglich.

Am Sonntag wollten die Frauen des 1. FC Union im Viertelfinale des Berliner Pokalwettbewerbs eigentlich gegen den Berlin-Ligisten SC Borsigwalde antreten, doch er Gegner sagte das Spiel kurzfristig wegen personeller Engpässe ab.

Trainer Steffen Beck  hat dieses Jahr in jedem Falle eine junge, starke Mannschaft und die Chancen sind hoch, dass sie etwas gewinnen können. Wenn alles klappt, werden die Union-Ladies, so wie die Union-Gentlemen, bald in der Zweiten.Liga spielen. Dann wäre es vielleicht langsam Zeit, sich ein paar Lieder über Stefan Beck oder Julie Illmann auszudenken.

Der Autor: Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins No Dice.  Für den Tagesspiegel schreibt Glennon immer freitags über den Berliner Fußball. Bilder und Spielberichte von „No Dice” auf Facebook.

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