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Lesen bildet - und hilft gegen Husten und Schnupfen.

© promo

Kolumne: Ich - Ironman (17): Motivation auf Papier

Unser Autor will Anfang Juli am deutschen Ironman in Frankfurt teilnehmen. Eine Erkältung zwingt ihn zur Trainingspause. Also vertreibt er sich die Zeit mit zwei Ironman-Büchern. Das stoppt zwar nicht den Husten, hilft dafür aber auf andere Weise.

Ob es die Erkältungsviren an den schmierigen Haltegriffen in der Pariser Metro waren oder die Schwächung durch den Paris-Marathon – wahrscheinlich beides. Von meinem Laufausflug habe ich mir ein ganz unpraktisches Souvenir mitgebracht: einen Husten der Marke ätzend, hartnäckig und fürchterlich. Mehr als ein Jahr habe ich die Seuche nicht mehr gehabt. Sicher weil ich mit Blick auf den Ironman im Herbst und Winter auch bei Kälte und Eis trainiert habe. Über den positiven Effekt auf mein Immunsystem habe ich mich Woche für Woche gefreut, wenn ich in der Redaktion um mich herum die armen Kollegen husten und tropfen gesehen habe. Ausgefreut! Ich war fällig.

Wenn ich krank bin, unterbreche ich mein Training konsequent. Das mag bequem wirken, und natürlich hat jeder Athlet seine eigene Philosophie. Aber gerade nach dem Marathon wollte ich meinem Körper Zeit und Kraft geben, sich zu erholen und keine unendliche Geschichte aus meinem Husten machen – etwa einen Infekt verschleppen und eine Herzmuskelentzündung riskieren.

Um die frei gewordene Trainingszeit zu füllen, habe ich mir zwei Ironman-Bücher besorgt, allerdings keine Trainingsratgeber. Wenn ich in den vergangenen Monaten eins fast zur Genüge gehört habe, dann: wie ich was tun oder lassen soll. Mir ist jetzt eher nach Geschichten, Schicksalen, Drama. Tagesschau-Sprecher Thorsten Schröder (46) schreibt in „Nachrichten vom Ironman“ von seinem Weg zur ersten Triathlon-Langdistanz. Wie er davon erfährt, dass sein normalsterblicher Nachbar schon einen Ironman "gefinisht" hat und er sich daraufhin selbst ein Herz fasst. Wie er es mit großer Disziplin schafft, neben seinem stressigen Job und der Zeit mit seiner Freundin Wiebke der Woche noch zwölf Trainingsstunden abzuknapsen. Wie ihn einmal beim Hamburg-Triathlon über die olympische Distanz im Wasser eine Panikattacke ereilt hat. Vieles, was er erlebt, kommt mir bekannt vor.

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Ich fühle mit, gerade weil Thorsten Schröder neben aller Euphorie auch Zweifel überkommen, ob er als vermeintlicher Quereinsteiger von der olympischen Distanz das große Ziel überhaupt erreichen kann. Der große Mann ganz klein. Als ich dann aber lese, dass er Marathonerfahrung hat, jedes Jahr an den happigen Hamburger Cyclassic teilnimmt und in seinem Urlaub auch mal gerne 2000 Kilometer quer durch die USA radelt oder durch die Pyrenäen („Eine traumhafte Gegend, in der ich mich stundenlang mit Vergnügen auf Pässe wie den Col du Tourmalet, Soulor, Somport, Soudet, den Col d’Aubisque  oder den Col Bagargui hinaufkämpfe“), da wirkt das alles auf mich nur noch kokett. Vielleicht liegt es an mir, womöglich bin ich selbst zu optimistisch, zu naiv, aber meine Sympathie geht da selbst im Neoprenanzug unter. Trotzdem: Mein Respekt gebührt Thorsten Schröders sportlicher Leistung, weil er seinen ersten Ironman in elf Stunden und 21 Minuten gefinisht hat.

Die Geschichte von zwei Unsterblichen erzählt dagegen das Buch „Iron Men“ von Matt Fitzgerald. Der amerikanische Sportjournalist schildert minutiös das legendärste aller Ironman-Rennen, das auch als „Iron War“ bekannt wurde. 1989 duellieren sich auf Hawaii der sechsfache Sieger Dave Scott und sein Herausforderer Mark Allen. Sie verlassen zusammen das Wasser, steigen zeitgleich vom Rad. Es ist ein Rennen Auge in Auge, über Stunden. Und weil beide Männer, beide Körper im Gleichschritt die gleiche wahnsinnige Leistung vollbringen, entscheidet am Ende, knapper denn je zuvor und danach, die Psyche: Nach acht Stunden setzt Marc Allen die entscheidende Attacke und bricht damit seinen Kontrahenten. Er erreicht das Ziel in 8:09:15 Stunden, 58 Sekunden vor Dave Scott.

Von Matt Fitzgerald bekomme ich ein Renn-Psychogramm der beiden Athleten, das mir den grenzenlosen Willen und die Härte erklärt, das mich dieses Duell noch einmal miterleben lässt.  Dieses Duell, das den Mythos Hawaii mehr als jedes andere geprägt hat. Zwar hat die Lektüre keine unmittelbar hustenstillende Wirkung, und auch das Nachvollziehen und Verstehen der mentalen Leistung wird aus mir keinen Ausnahmeathleten machen. Aber für die Motivation, nach auskurierter Erkältung wieder mit Volldampf zu trainieren, sind diese Seiten Gold wert.

Matt Fitzgerald: Iron Men, 208 Seiten, Delius Klasing Verlag, 19,90 Euro

Thorsten Schröder: Nachrichten vom Ironman, 256 Seiten, spomedis, 16,95 Euro

Arne Bensiek ist Autor des Tagesspiegel. Jeden Donnerstag erscheint seine Kolumne „Ich – Ironman“ auf www.tagesspiegel.de/ironman.

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