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Energiegels im Test.

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Kolumne: Ich - Ironman (21): Reißen, quetschen, runterdrücken: Energiegels im Test

Unser Autor will Anfang Juli am deutschen Ironman in Frankfurt teilnehmen. Nicht ohne Energiegel, die Suche nach dem richtigen ist aber schon eine Mutprobe für sich.

Energiegels als Verpflegung gehören für fast alle Ausdauerathleten zur Grundausstattung, ohne sie wird das mit dem Ironman nichts. Aber Vorsicht: Es prüfe, wer sich für schwere Stunden aneinander bindet. Meine Erfahrung mit der dickflüssigen Wegzehrung erschöpft sich bisher in gerade mal zwei Wettkämpfen, ein Marathon und eine Triathlon-Mitteldistanz. Beide liefen gut, beide Male kam die Energie zuverlässig an. Dass die Gels bei der Belastung funktionieren, daran habe ich keinen Zweifel. Das muss ich nicht mehr testen. Welcher Hersteller und welche Sorte, das ist allerdings Geschmackssache – und schreit nach einer Verkostung.

In zwei Laufläden habe mir für über 30 Euro alle möglichen Beutelchen und Tuben besorgt. Als ich vor dem bunten, funkelnden Haufen voller Kraftpampe stehe, finde ich meine Idee einer groß angelegten Dégustation genial. Ein Verkäufer hatte mich dagegen gewarnt: „Du solltest dich schon mindestens eine Stunde verausgabt haben, zuhause auf dem Sofa schmecken die nicht.“ Ich glaube ihm kein Wort, schließlich bin ich für süße Sachen schon immer zu haben gewesen. Und den Wettkampfhunger, den kriege ich mir schon noch dazugedacht.

Als Vorspeise gibt es das PowerGel von Marktführer PowerBar. Von den 41 Gramm Gel sind 26,9 Gramm Kohlenhydrate. Davon kann der menschliche Körper nach wissenschaftlichen Erkenntnissen bis zu 90 Gramm pro Stunde aufnehmen. Zäh fließt die Sorte Tropical Fruit aus dem goldenen Beutel auf meinen weißen Porzellan-Suppenlöffel. Das Gel ist zu meiner Überraschung farblos, ich hatte mit rot oder orange gerechnet. Egal. Beim Ironman schluckt das Auge nicht mit. Der Athlet saugt das Gel aus dem blickdichten Beutel und bekommt es im besten Fall auch danach nicht mehr zu sehen.

Deutlich präsenter als das Dschungelfruchtversprechen ist die Salznote. Neben dem wichtigsten Bestandteil, den Kohlenhydraten, steckt hier jede Menge Natriumchlorid drin. Das spielt eine Schlüsselrolle im Flüssigkeitshaushalt des Körpers und soll den Salzverlust durchs Schwitzen ausgleichen – kratzt aber merklich an meiner Ekelschwelle. Die Sorte Strawberry Banana ist ebenfalls durchsichtig und könnte geschmacklich leider unter dem Namen „Hubba Bubba im Salztopf“ laufen. Meine größte Hoffnung hatte ich in Mango Passionsfrucht mit Koffein gesetzt und mich für einen Vorbereitungswettkampf am Wochenende schon gleich größer damit eingedeckt. Doch das soßenfarbene, hellbraune Gel schmeckt wie Hustensaft. Ich bin nicht nur ein wenig ernüchtert.

Der Hersteller Ultrasports bietet Gels in zwei Geschmacksrichtungen an: Berry und Cola mit Koffein. Die grauen Beutel überraschen mit einer Schlaufe, die offenbar den Transport in der Hand erleichtern soll. Bloß keine Energie verlieren. Beide Gels sind etwas dickflüssiger, leicht mehlig auf der Zunge und geschmacklich auch keine Glücklichmacher. Da trifft es sich gut, dass ein bisschen Rosenwurz im Gel steckt. Das erhöht die Levels von Serotonin, Dopamin und Endorphin. Das Wohlbefinden stellt sich dann also etwas versetzt ein.

Energiegel-Test sind wie Weinproben - irgendwann kann man nichts mehr unterscheiden

Nachdem fünf verschiedene Gels schon langsam meine Speiseröhre heruntergekrochen sind, ist mein Wohlbefinden trotz sparsamer Verkostung leicht angeschlagen. Ich denke an Weinproben und daran, dass die Zunge nach dem vierten bis fünften Wein eigentlich nicht mehr in der Lage ist, klar zu unterscheiden. Aber ich muss da jetzt durch.

Der Schweizer Hersteller Sponser bietet mit seinem „Liquid Energy Long“ eine Alternative für all diejenigen, die süßes Gel im Laufe eines langen Rennens nicht mehr ertragen. Mehr Brei als Gel, enthält das Produkt 50 Prozent mehr Natrium als seine Konkurrenten. Mag sein, dass der ein oder andere Ironman darin nach zehn Stunden Belastung seine salzige Offenbarung findet. Ich bringe die Pampe trotz aller Mühe nicht runter. Als ich den wurstförmigen Beutelinhalt in die Spüle drücke und auf Nimmerwiedersehen das Wasser anstelle, hängt die Pampe doch tatsächlich im Ausguss fest. Meiner Spüle geht es da offenbar wie mir.

Überraschend angenehm schmeckt dagegen das „Liquid Energy Plus“ von Sponser. Kein kitschiges Aroma, nicht zu viel Salz. Eigentlich weiß ich nicht mal, wonach dieses colafarbene Gel genau schmeckt, aber in seiner Unentschiedenheit und Unaufdringlichkeit überzeugt es mich irgendwie. Umso schlimmer wirkt dann „Liquid Energy BCAA Strawberry Banana“, das verzweigtkettige Aminosäuren zur verbesserten aeroben und anaeroben Leistungsfähigkeit enthält. Der Vorteil im Vergleich zu den Aufreißbeuteln: Die Tube kann man ganz schnell wieder verschließen.

Das Gel der britischen Marke High5 ist eher dünnflüssig. Die Sorten Banane und Orange sind entweder zu intensiv oder zu salzig. Mein Favorit ist Apfel, sehr erfrischend. Das Gel schmeckt zwar, als sei es im letzten Leben mal ein Apfelring von Trolli gewesen, aber das stört mich nicht.

Zum krönenden Abschluss habe ich mir das „Tomato Gel“ der Firma Squeezy aufgehoben. Im Laden erschien mir der Kauf noch wie eine kleine Verrücktheit. Jetzt habe ich die Hoffnung, dass dieses pikante letzte Mal die ganze süße Pampe in meinem Magen irgendwie neutralisiert. Das Gel schmeckt wie normaler Ketchup, allerdings ohne die übliche Säure. Endlich ist das Salz mal richtig aufgehoben. Ich stelle mir vor, wie ich nach zehn Stunden Ironman-Wettkampf am Rand der Laufstrecke die Zuschauer faul in Liegestühlen rumhängen und Bratwürste essen sehe. Wenn der Futterneid dann Überhand nimmt, werde ich an meinem High-End-Ketchup nuckeln.

Jedenfalls wenn mir nicht so unendlich schlecht ist wie jetzt. Das mit der Dégustation war wirklich eine bekloppte Idee.

Arne Bensiek ist Autor des Tagesspiegel. Jeden Donnerstag erscheint seine Kolumne „Ich – Ironman“.

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