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Kolumne: Lars Ricken: Ronaldo läuft wie ein Hahn vor der Balz

An dieser Stelle schreiben Lars Ricken, Nadine Angerer, Fredi Bobic, Mirko Slomka und Marcel Reif im Wechsel. Heute beobachtet Lars Ricken den portugiesischen Popstar.

Gestern Abend saß ich nach den Spielen noch mit ein paar Freunden zusammen und fragte in die Runde: Was haltet ihr eigentlich von Cristiano Ronaldo? Die Meinung war eindeutig: Ein super Fußballer, der vielleicht beste Techniker der EM, einer, der über ein riesiges Finten- und Trickreservoir verfügt. Und auch ich bin begeistert von ihm, gar keine Frage. Was der schon für Freistöße schießt – fern jeder physikalischen Erklärbarkeit. Wenn ich heute 15 Jahre alt wäre, Ronaldo wäre vermutlich mein großes Vorbild.

Heute bin ich vor allem von seiner Entwicklung beeindruckt: Während andere Spieler an dem großen Fußball- und Medienzirkus zerbrechen, hat es Ronaldo geschafft, seine Leistung und sein Können auf einem hohen Level zu halten. Doch vielleicht ist Manchester United auch der ideale Club für ihn, England die ideale Lehrstätte, denn spielte er hier nur für die Videosammlung von „youtube", wäre die Presse erbarmungslos. Ronaldo hat den Unterschied zwischen Effekt und Effektivität verstanden. Er spielt auch für das Team. Zumindest versucht er es. Doch es gibt eben auch diese andere Seite von Ronaldo, dieses aufgebaute Image vom Schönling, vom Popstar, das wohl für ewig an ihm kleben wird. Ganz unschuldig ist er daran nicht, denn Ronaldo liebt das Spiel mit den Medien, er inszeniert sich immer noch allzu gern. Mitunter wirkt das theatralisch, seine Mimik und Gestik fast arrogant. Man braucht sich nur an den Elfmeter im Champions League-Finale gegen Chelsea zu erinnern. Wie er da den Kopf hochgenommen, die Brust herausstreckt und die Beine weit gespreizt hat, das war einfach unnatürlich – er hat ja auch verschossen. Und dann dieser staksige Gang, wie ein Gockel vor der Balz. Einer wie Ribéry tanzt zwar nicht minder spektakulär über den Platz, doch wirkt das Spiel des Franzosen viel unprätentiöser.

Und wenn man dann noch durch die Frauenzeitschriften blättert, die während der EM ihre Fußballaffinität nur über Cristiano Ronaldo herstellen wollen und in den Sätze zu lesen sind wie: „Wegen Ronaldo lieben wir die EM", schürt das Antipathie der Fußballfans. Denn Fußball ist eben nicht nur: Gut aussehen, der dreifache Übersteiger, der Hackentrick oder der No-Look-Pass mit dem Außenrist.

Fußball ist immer auch Kampf - so martialisch das klingt. Und Ronaldo kann all die Haken nur schlagen, weil er Privilegien in der Mannschaft genießt, weil er defensiv kaum arbeiten muss, weil hinten Ricardo Carvalho und Pepe den Laden dichtmachen. Zudem darf man die anderen Offensivkünstler der Portugiesen nicht vergessen. Deco etwa, von dem bin ich ebenfalls großer Fan, oder Nani, der gegen die Schweiz erst in der zweiten Halbzeit kam, und der ein ebenso großes Potenzial wie Ronaldo hat. Zweifelsohne ist Ronaldo ein wichtiger Mann im Team, vielleicht sogar der zentrale Spieler, doch Portugal wäre auch ohne ihn mein Topfavorit auf den Titel.

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