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Jogger auf dem Tempelhofer Feld. In Berlin grüßen sich die Läufer nicht so sehr wie in der Provinz. Unser Kolumnist findet das schade.

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Kolumne: So läuft es: Hey Berliner, grüßt doch mal!

In der Provinz grüßen sich die Läufer. In Berlin nicht. Das muss anders werden, findet unser Kolumnist.

In Dillenburg ist ein Gruß eben noch ein Gruß. Und ein Brot eben noch ein Brot. Und ein Metzger ein Metzger. Hier gibt es kein Chia-Roggen-Brot, hier gibt es ein sehr sachliches Sauerteigbrot, in einer sehr alten Bäckerei. Hier gibt es keinen veganen Hipster-Supermarkt, hier gibt’s beim Metzger eine Scheibe Wurst auf die Hand. Dillenburg hat seit den siebziger Jahren viele Zuwanderer aufgenommen, im Verhältnis sicher mehr als Berlin, Dillenburg ist mehr multikulti als Berlin. Dillenburg liegt auf der hessischen Seite des Westerwaldes, das Klima ist rau.

Hier bin ich aufgewachsen. Und hier bin ich immer dann, wenn ich Erdung brauche. Und ein Sauerteig-Brot. Als Großmutter noch lebte, bin ich oft durch die Wälder gelaufen. Früher als Kind, heute als Dauerläufer. Für mich gibt es kaum einen schöneren Platz zum Laufen. Die Natur ist voller Kraft, voller Energie. Beinahe magisch. Großmutters Bruder, Onkel Helmut, 92, geht jeden Morgen gen Osten. Eine Stunde hin, eine Stunde zurück. Er ist nicht einfach so 92 Jahre alt geworden. Klingt ein bisschen romantisch? Naja, es ist eben Heimat.

Dillenburg ist eigentlich überall! Nur nicht in Berlin. So stoffelig wie Dillenburg ist, so klar ist Dillenburg. Und klar ist, dass man sich unter Läufern grüßt. Weil man aus demselben Holz geschnitzt ist. Nicht nur weil man aus Dillenburg kommt. Sondern weil das Grüßen etwas mit Erziehung zu tun hat. Was ist denn mit Berlin los? Ich bin dort diese Woche wieder mehrmals durch Mitte gelaufen, durch Pankow, durch Friedrichshain, durch Wilmersdorf, hoch auf den Teufelsberg und wieder zurück auf die Schönhauser. Ich habe gegrüßt. Alle. Und keiner hat mich gegrüßt. Doch, eine junge Frau. Aber die fuhr mit dem Rad zur Arbeit. Was mich irritierte: Jene, die ich grüßte, schienen komplett überrascht zu sein. Es ist ja auch völlig verrückt dieser Hipster-Trend, andere Läufer zu grüßen. Dieser Trend setzt sich wohl deshalb nur schwer durch, weil er vom Land kommt.

Auf dem Land fährt man übrigens auch oft einen bestimmten Geländewagen. Ein absolutes Hipster-Auto in Berlin. Und weißt du was, Berlin? Unter Fahrern dieses Wagens gibt’s ein Ritual: Man grüßt sich. Und nicht nur auf dem Land. Das funktioniert sogar in Berlin, habe ich selbst gesehen. Also Berlin, wenn Du wirklich crazy, weltoffen und hip sein willst: In Dillenburg werden Lauftrends gemacht. Guten Tag! So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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