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Die wenigsten Läufer sehen so drahtig aus wie die Herren hier beim Olympia-Marathon. Das ist auch gar nicht schlimm.

© AFP

Kolumne: So läuft es: Zeigt den Rennschnecken Respekt!

Es ist völlig egal, wie schnell oder langsam, wie fit oder nicht ein Läufer ist. Es geht um den Spaß, und davor sollten wir unbedingt Respekt haben.

Christina R. ist Bloggerin. Als „Die Rennschnecke“ berichtet sie regelmäßig über das Laufen. Und motiviert so all die, die noch nicht laufen. Sie ist eine von vielen Bloggern, die über ihren Lieblingssport schreiben. Und sie tut es für sich. Und für die, bei denen es läuft, nicht läuft, noch nie gelaufen ist.

Sie hat bisher bereits 20 Kilogramm abgenommen, und sie kratzt derzeit sogar an der 30-Kilogramm-Marke. Darauf kann sie stolz sein. So wie jeder, der es schafft, in Bewegung zu kommen. Bewegt hat sie Tausende von Menschen in einem ihrer letzten Blogs, als sie über ihre Teilnahme am Summertime-Triathlon in Karlsdorf-Neuthard schrieb. Sie wurde mit „Halt’s Maul, du fette Sau“ beschimpft. Nur weil sie einem Mann gesagt hatte, er möge von der Rennstrecke gehen. Sie wurde beim Laufen belächelt mit den Worten: „Super, ist schon viel weniger dran jetzt.“

Und noch bewegender schreibt sie: „Mir kamen die Tränen, ich war total panisch, hätte mich am liebsten im Gebüsch versteckt, die Startnummer weggeworfen, alles, nur nicht in dieses Stadion einlaufen, mich vielleicht noch mal irgendwelchen dummen Kommentaren aussetzen. Liebe ignorante Voll-Honks, ist euch eigentlich klar, was ihr mit solch dämlichen, unreflektierten – kurz – einfach saudummen Äußerungen anrichtet?!?! Ihr nehmt Menschen nicht nur einfach den Spaß an einer sportlichen Aktivität, ihr nehmt Würde, ihr seid respektlos, ihr diskriminiert. Ihr beurteilt eine Leistung, die ihr selber nicht bringt. Macht’s gut, Ihr Voll-Honks. Ich mache es besser.“

Jede Einzelne freut sich auf einen besonderen Tag

Es gibt tausende Rennschnecken in Deutschland. Viele treffen sich beim „Women’s Run“ in zahlreichen deutschen Städten. Stephanie Fahnemann, die Projektleiterin der beliebten Laufserie, sagt über ihre Erfahrungen: „Für einen Tag beim Women’s Run reisen die Teilnehmerinnen teilweise Hunderte Kilometer an. Jede Einzelne freut sich auf diesen sehr besonderen Tag, um gemeinsam mit vielen anderen laufbegeisterten Frauen auf die Laufstrecke zu gehen und jeden Meter zu genießen. Die Frauen freuen sich, dass jede einzelne Leistung wertgeschätzt wird, ganz egal ob man über fünf Kilometer 20 Minuten braucht oder eine Stunde. Freundinnen begeistern und motivieren sich dabei gegenseitig, wenn zum Beispiel die eine eigentlich sportlicher unterwegs ist als die andere.

Die Stimmung auf der Ziellinie beim Women’s Run ist vergleichbar mit jedem Marathon oder Ironman. Die Frauen, die nach fünf oder acht Kilometern ins Ziel laufen, feiern sich selbst und freuen sich über ihren Erfolg wie jeder andere Ausdauerathlet, der auf ein Ziel hintrainiert hat. Ich habe auch nach sechs Jahren immer noch Gänsehaut, wenn ich die Streckenköniginnen beim Zieleinlauf beobachte.“

Gänsehaut erzeugt auch die Geschichte von Micha Klotzbier, ebenfalls Blogger, Läufer und unfassbarer Typ. Micha startete am 1. Januar 2015 mit einem Gewicht von 160 Kilogramm. Er verlor bisher 53 Kilo. Am vergangenen Sonntag ist er in Berlin seinen ersten Halbmarathon gelaufen, in 2:03.21 Stunden. Im September wird er, ebenfalls in Berlin, seinen ersten Marathon laufen. Ich habe Micha oft getroffen. Ab und an war er den Tränen nahe, weil er weiter mit seinem Gewicht kämpfte. Weil sein Knie schmerzte. Und dennoch: Micha lief weiter. Und er wird den Marathon schaffen. Bestimmt. Haben wir Respekt und Hochachtung vor allen Rennschnecken und Klotzbiers der Welt. Herz zeigen! Respekt zollen! So läuft es!

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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