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Gemeinsam läuft es sich am schönsten. Egal zu welcher Jahreszeit.

© dpa/Jutrczenka

Kolumne: So läuft es: Gegensätze laufen nicht

Je mehr Gemeinsamkeiten, desto besser, findet unser Kolumnist. Zusammen laufen kann vieles zum Besseren verändern, sogar schwierige Geschäftsbeziehungen.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Nein! Ich bin nicht die Erika Berger des Laufens. Und es gibt ganz sicher nur eine Lilo Wanders. Es war nie mein Bestreben, Experte zu werden. Schon gar kein Sex-Perte. Auf keinen Fall ein Super-Schlauschlau, wenn es um Beziehungen geht. Ich laufe einfach nur. Beobachte. Und schreibe darüber.

Seit beinahe fünf Jahren begegnet mir Mustafa regelmäßig auf meiner Strecke. Allerdings sehr unregelmäßig. Ich habe ihn lange nicht gesehen. Gestern traf ich ihn wieder. Mit sicher 15 Kilo mehr auf den Rippen, die er sich in 6 Monaten angefuttert haben muss. „Die Frau ist weg, Mike. Hat einen anderen. Dann kam das Frustfressen. Und kein Laufen mehr. Gegensätze ziehen sich eben doch nicht an. Sie wollte ja auch nie Sport machen“, erklärte er mir. Mein fragender Blick muss mich verraten haben. Was mich diese Phrase „Gegensätze ziehen sich an“ nervt. Seit Jahren.

Gemeinsames Laufen kann eine Frischzellenkur für Beziehungen sein

Meine feste Überzeugung ist: Wenn es um Beziehungen im weitesten Sinn geht, ist diese Lebensweisheit ein tödliches Gift. Am Anfang mögen Gegensätze reizvoll sein, aber das kann keine Basis für eine Beziehung sein. Weder für eine Liebes- noch für irgendeine Beziehung. Im Gegenteil. Je mehr Gemeinsamkeiten es gibt, desto besser. Und ich wünsche Mustafa von Herzen eine Frau, die ebenso gerne läuft wie er. Mit der er gemeinsam laufen kann. Gemeinsamkeiten schweißen zusammen. Klare Jacke!

Das gemeinsame Laufen kann in der Tat eine Frischzellenkur für Beziehungen sein. Oder werden. Oder neue Liebe machen. Ein guter Freund hat sich gerade von seiner Frau getrennt. Sie hatten keine Gemeinsamkeiten (mehr). Sie waren unfassbar gegensätzlich. Er lernte eine junge Frau kennen. Beim Laufen. Das gemeinsame Laufen wurde der Sockel für eine neue Beziehung. Beide liefen miteinander und aufeinander zu. Und er raus aus der Ehe. Ein hartes Ding. Aber, ich habe ihn noch nie so glücklich gesehen.

„Ich genieße es, an ihrer Seite zu laufen. Sie zu riechen, sie kurz zu berühren. Wir reden kaum. Mal ist sie schneller, mal ich. Aber wir sind auf dem Weg. Auf unserem Weg“, sagte er mir neulich, natürlich bei einem Lauf. Und selten habe ich ihn so echt sprechen hören.

Was beim Laufen passiert, ist das, was zählt

Regelmäßig laufe ich mit Geschäftskunden. Gerne gerade mit denen, die im Alltag sehr unnahbar, sachlich und beinahe kühl sind. Wenn wir gemeinsam laufen, öffnen sie sich meist. Und plötzlich werden sehr straighte Manager zu kleinen Jungen. Und es ist so wichtig, auch mal wieder fast Kind zu sein. Loszulassen. Vertrauen zu haben oder zu entwickeln. So verändern sich sogar schwierige Geschäftsbeziehungen. Man hat einen gemeinsamen Weg. Man lernt sich neu kennen. In Berlin habe ich letzte Woche den Geschäftsführer eines Weltunternehmens mit auf eine Laufrunde genommen. Am Ende unserer 18 Kilometer sagte er: „Danke, Mike. Durch diesen Lauf sehe ich Berlin und auch dich mit ganz anderen Augen. Und ich verstehe jetzt, warum du wirklich jeden Morgen läufst. Es ist nicht nur der Sport, der dich bewegt. Es ist das, was beim Laufen passiert, was für dich zählt.“ So ist es. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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