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Kommentar: Die Zukunft liegt auf dem Platz

Das Derby wird erwachsen, meint Tagesspiegel-Sportchef Robert Ide in seinem Kommentar. Denn während die Duelle vor zwei Jahren noch von künstlicher Rivalität geprägt waren, scheinen sich Berlins Fußballfans inzwischen nur noch in normalen Nickligkeiten unter Nachbarn zu ergehen.

Kann es das geben? Eine ganze große Großstadt schnurrt zusammen auf ein klitzekleines Spielchen, sie schaut gebannt auf einen Ball, der sich lieber um sich selbst dreht als um die große Stadt, selbst wenn er über den holprigen Acker der Zweitklassigkeit rollt; am Abend eines lauen Arbeitstages also gruppieren sich die Menschen dieser Stadt um ein hell erleuchtetes Fußballfeld, das in einem Wald liegt, und brüllen rauf auf den Rasen (die einen so, die anderen so), und 22 dieser 16 750 Menschen rennen ihren Träumen nach – natürlich auch den Träumen einer Stadt, die gerne größer sein will als sie wirklich ist (zumindest größer, als sie es sich leisten kann). Klar, das kann es geben: beim Berliner Fußball-Derby.

Nach diesem stimmungsvollen Spiel, das trotz manch hölzerner Szene an der Alten Försterei in Hertha BSC einen verdienten Sieger gefunden hat, kann man sich als Freund des Berliner Fußballs fast schon wünschen, dass weder Hertha noch der 1. FC Union in die Bundesliga aufsteigen (für Union wird das nach dem vermasselten Start in die Saison sowieso erst mal schwierig). Denn dieses Derby würde der Stadt schon fehlen.

Waren die Duelle vor zwei Jahren noch von künstlich reingepusteter Rivalität geprägt, so scheinen sich Berlins Fußballfans nur noch in normalen Nickligkeiten unter Nachbarn zu ergehen. Der Rest wird ausgespielt auf einem hell erleuchteten Spielfeld, auf dem sich der Ball um sich selbst dreht. Und drei Mal ins Tor rollt.

Berlin rennt weiter großen Träumen nach, auch dem Traum vom ganz großen Fußball. Die Gegenwart von Hertha und Union mag Zweitklassigkeit sein. Aber gegenwärtig ist auch: Ost und West sind im Fußball der einstigen Mauerstadt längst Vergangenheit, auch ein Derby kann man gemeinsam feiern. Die Zukunft liegt auf dem Platz – bis zur nächsten Traumstunde.

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