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Kommentar: Erster, zweiter, dritter Sieger

Es ist eher unwahrscheinlich, dass Löw und Ballack jemals wieder zu ihrem alten Vertrauensverhältnis zurückfinden. Stefan Hermanns über einen Streit, der zehn Tage dauerte und nun zu einem oberflächlich glücklichen Ende kam.

Hurra, es ist vorbei. Zehn Tage lang hat das geneigte Publikum gebannt den vielleicht größten Machtkampf verfolgt, den der deutsche Fußball in der jüngeren Vergangenheit erlebt hat. Zehn Tage lang hat es versucht, all die diplomatischen Verwicklungen und taktischen Winkelzüge einigermaßen zu verstehen; zehn Tage lang hat es auf eine Lösung des verzwickten Problems gewartet. Am Donnerstagabend nun sind die Friedensverhandlungen zwischen Michael Ballack und Joachim Löw zu einem glücklichen Ende gekommen. Das Ergebnis von zehn Tagen höchster Aufregung lautet: Es bleibt alles so, wie es war. Michael Ballack spielt weiterhin für die Nationalmannschaft, er darf sogar ihr Kapitän bleiben.

Und wozu dann das Ganze? Die Frage ist nicht unberechtigt, aber sie muss nicht gerade jetzt gestellt werden. Entscheidend ist, dass die Angelegenheit doch noch relativ glimpflich ausgegangen ist – für alle Beteiligten: für Löw, für Ballack und vor allem für den deutschen Fußball. Natürlich besitzt die deutsche Nationalmannschaft auch eine Zukunft nach und ohne Michael Ballack, aber diese Zukunft beginnt erfreulicherweise erst später. Ballack ist auch mit 32 Jahren immer noch der einzige deutsche Fußballer von Weltklasseformat. Die Nationalmannschaft braucht ihn, selbst wenn sie zuletzt zumindest angedeutet hat, dass ihr die Emanzipation von ihrem Kapitän emanzipieren kann.

Ein bisschen Pathos muss sein

Um es ein bisschen pathetisch auszudrücken: Der Gewinner des Friedens von Frankfurt ist der deutsche Fußball. Zweiter Sieger, wie es in der Sportberichterstattung so schön heißt, ist Joachim Löw, der seine Autorität nach außen nicht nur gewahrt, sondern offensichtlich sogar gefestigt hat. Denn Löw hat nicht gekuscht, als sein Kapitän massiv Einfluss auf seine Arbeit nehmen wollte. Er hat sich diesem impertinenten Versuch entschieden widersetzt und die Revolte niedergeschlagen. Und Michael Ballack? Wenn es keinen Verlierer geben darf, ist er dritter Sieger, weil ihm nach all seinen Verdiensten um den deutschen Fußball zumindest ein unehrenhafter Abschied aus der Nationalmannschaft erspart geblieben ist. Viel mehr war für ihn in diesem Streit ohnehin nicht mehr zu gewinnen.

Ob der Frieden über den Moment hinaus Bestand haben wird – das ist die eigentlich spannende Frage für die nächsten Monate und Jahre. Dass der Deutsche Fußball-Bund einen kompletten Arbeitstag benötigt hat, um das abschließende Kommuniqué auszuformulieren, lässt darauf schließen, dass die diplomatischen Verhandlungen sich nicht ganz einfach gestaltet haben. Und nach allem, was passiert ist, nach Ballacks Gang an die Öffentlichkeit und dem Inhalt seiner Kritik, ist es ohnehin eher unwahrscheinlich, dass der Bundestrainer und sein Kapitän jemals wieder zu ihrem alten Vertrauensverhältnis zurückfinden. Zumindest aber wissen nun beide Seiten, woran sie sind.

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