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Kommentar: Europäische Verhältnisse in Nordamerika

In Kanada wird nach der Einigung im NHL-Tarifstreit gefeiert, in den USA kaum mit den Schultern gezuckt. Sven Goldmann meint in seinem Kommentar, dass das Eishockey in Nordamerika bald hinter dem Fußball stehen wird.

Am Samstag hat das deutsche Eishockey sein großes Winterfest gefeiert, ein Spiel unter freiem Himmel vor 50 000 Zuschauern, es soll für Aufbruchstimmung stehen und eine glänzende Zukunft, selbstverständlich im Schatten des allmächtigen Fußballs.

Zur selben Stunde schlitterte das große Vorbild des deutschen Eishockeys in New York knapp vorbei am größten vorstellbaren Desaster. Es soll wieder gespielt werden in der größten und attraktivsten und teuersten Liga der Welt. Der Streit zwischen Klubbesitzern und Spielern ist nach 113 Tage währender Aussperrung beigelegt. Aber um welchen Preis? Die späte Einigung von New York ist ein Ende mit Schrecken, und ein Ende des Schreckens ist kaum abzusehen.

Da fällt es gar nicht mal so schwer ins Gewicht, dass die Allgemeinheit in Zeiten der Rezession wenig Verständnis aufbringt für einen Streit zwischen Milliardären und Millionären. Moral war im Unterhaltungsbusiness noch nie ein entscheidender Faktor. Auch den betriebswirtschaftlichen Verlust einer halbierten Saison werden die Klubs irgendwie wegstecken. Viel gravierender ist die mangelnde Präsenz beim Endverbraucher. Gut ein halbes Jahr lang war Eishockey von den Bildschirmen und den Zeitungsseiten verbannt. In Kanada werden Fans und Medien schnell verzeihen, aber Kanada steht für Nostalgie und spielt auf dem Werbe- und Fernsehmarkt eine untergeordnete Rolle. In den USA aber hat die NHL jeden Tag Aussperrung teuer bezahlt. In den Ballungsräumen an der Ost- und Westküste geht es nicht um Tradition, dort geht es um Marktanteile.

In der öffentlichen Reputation muss sich die NHL schon länger mit einem Platz hinter Catchen oder Stock Car Racing bescheiden. Bei den Mannschaftssportarten behauptete das Eishockey nach den schmerzhaften Folgen des letzten Arbeitskampfes mit der komplett gestrichenen Saison 2004/2005 mit Mühe ihren Platz im Klub der Big Four, allerdings mit großem Abstand zu Baseball, Basketball und American Football. Der zarte Aufwärtstrend der vergangenen Jahre? Längst vergessen.

Die Analysten mögen darüber streiten, ob nun die Spieler (wahrscheinlich) oder Klubs (weniger wahrscheinlich) den Arbeitskampf gewonnen haben – verloren haben sie am Ende alle. Der wahre Sieger kommt aus Europa. Es naht der Tag, an dem auch in Nordamerika das Eishockey im Schatten des Fußballs stehen wird.

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