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Kommentar: Keine Angst vor Island!

Stefan Hermanns über die Rückkehr zur alten Ordnung im Weltfußball. Kleine gibt es nicht mehr, aber dafür ist die Nationalelf wieder groß.

In der vergangenen Woche hat der deutsche Fußball ein wichtiges Jubiläum verpasst. Exakt vier Jahre ist es jetzt her, dass Rudi Völler als Teamchef der Nationalmannschaft ein geopolitisches Grundsatzreferat gehalten hat. Der breiten Öffentlichkeit ist dieses Referat vor allem als Käse-Scheißdreck-Mist- Rede erinnerlich, und man kann den ausschweifenden Wortbeitrag aus dem September 2003 auf den Kern reduzieren, der für Völler immer so etwas wie die Präambel seiner Regierungszeit war: Es gibt im Fußball keine Kleinen mehr.

Völler nahm damals ein atemberaubendes 0:0 in Island zum Anlass, um grundsätzlich zu werden. Man könne doch nicht erwarten, dass „wir hierherkommen und die einfach mal wegputzen“. Nun ist Wales nicht Island, unter den ehemals Kleinen zählen die Waliser historisch zu den eher Größeren; aber die deutsche Nationalmannschaft ist am Wochenende mit dem festen Vorsatz nach Cardiff geflogen, die einfach mal wegzuputzen. Dass ihr die halbe Stammelf fehlte – egal! Dass die Waliser den Tschechen ein 0:0 aufgezwungen hatten – genauso irrelevant wie Deutschlands traditionelle Wales-Schwäche! Es gibt wieder Kleine im Fußball. Zumindest für die Deutschen. Die Kleinen sind wieder klein, weil die Deutschen wieder groß sind.

Mit dem Wissen von heute könnte man Rudi Völler vorwerfen, er sei immer zu ängstlich gewesen. Aber die neue Größe der Nationalmannschaft ist nicht nur herbeigeredet. Ihr riesiges Selbstvertrauen speist sich aus einer tatsächlichen Stärke, aus einer fußballerischen, technischen und strategischen Überlegenheit, die sich die Mannschaft unter den Bundestrainern Klinsmann und Löw planmäßig erarbeitet hat.

Im Grunde hat Völler damals sogar die richtige Analyse getroffen – er hat nur nicht die richtigen Schlüsse aus ihr gezogen. Es stimmt ja, dass die Kleinen inzwischen ansprechend verteidigen und ihre athletischen Defizite weitgehend behoben haben. Überhaupt werden die Defensivstrategien im internationalen Fußball immer weiter verfeinert. Nur die Deutschen trotzen diesem Trend: Sie haben eine funktionierende Offensivstrategie entwickelt, mit der sie die Isländer dieser Welt wieder zu Zwergen schrumpfen. Eigentlich komisch, dass die anderen noch nicht darauf gekommen sind.

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