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Kommentar: Schalt mal auf neutral

Christian Hönicke über nötige Reformen in der Formel 1.

Für mich ist die Formel 1 kein Sport mehr.“ Dieser Satz stammt von Fernando Alonso, dem Weltmeister jener Sportart also, die er selbst negiert. Der Spanier hat diese Feststellung vor einem Jahr getroffen, als er wegen eines harmlosen Manövers im WM-Kampf gegen Ferrari und Michael Schumacher bestraft wurde. Eine solch vernichtende Aussage ihres Aushängeschilds hätte jede andere Sportart vermutlich in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise gestoßen. Die Formel 1 focht das nicht an – weil man in der Formel 1 sowieso nichts mehr glauben kann.

Die Politik bestimmt inzwischen so ziemlich alles in der Formel 1: das undurchsichtige Regelwerk, die beliebig anmutende Auslegung, die kaum nachzuvollziehenden Urteile nach Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Als politische Inszenierung muss man wohl auch die heutige Anhörung begreifen, in der sich der Rennstall McLaren-Mercedes in Paris wegen der verbotenen Nutzung geheimer Daten des Konkurrenten Ferrari verantworten muss. Ein ernst zu nehmendes Urteil ist jedenfalls kaum zu erwarten, schließlich wird es vom ausführenden Arm einer Instanz gefällt, die auf den hintersten Plätzen in den Glaubwürdigkeitscharts rangiert: von der Fia. In der Vergangenheit hat sich der Automobil-Weltverband durch kreative Rechtssprechung hartnäckig den Ruf erarbeitet, vor allem sein bestes Pferd im Stall, das Team Ferrari, systematisch bevorteilen zu wollen.

Eigentlich kann es heute in Paris nur zwei Varianten geben: Entweder McLaren ist schuldig und wird ausgeschlossen oder eben nicht. Der von Seilschaften durchzogene Fia-Weltrat wird sicher eine dritte Möglichkeit finden. Erst wenn die alten Abhängigkeiten bis hoch in die Verbandsspitze beseitigt sind, kann auch Fernando Alonso die Formel 1 guten Gewissens wieder als Sport bezeichnen.

Christian Hönicke

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