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Kommentar: Schrullig schön

Für ein paar Tage ist der 1. FC Union nicht mehr der zweite Zweitligist. Über die Bedeutung des Derbysiegs für die Köpenicker.

Von Katrin Schulze

Geschichten dieser Couleur sind immer die schönsten. Wenn die Kleinen die Großen ärgern, wenn Arm gegen Reich aufmuckt und wenn ein vermeintlich chancenloser Außenseiter einen übermächtig scheinenden Favoriten schlägt, dann bewegt das die Menschen. Der 1. FC Union hat am Samstag bewegt – 74 244 Zuschauer im Olympiastadion (teils positiv, teils negativ, wenn sie Hertha-Fans waren), zig weitere in Berlin und einige über die Grenzen der Stadt hinaus.

Mit dem 2:1 über Hertha BSC, an das der Sieger zuvor selbst kaum geglaubt hatte, hat sich der Fußballklub aus Köpenick zumindest für ein Wochenende ins Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit gespielt. Während bei Hertha BSC bereits die große Analyse eingesetzt hat, taumeln sie am anderen Ende der Stadt noch irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und Siegestrunkenheit. Für ein paar Tage ist Union nicht mehr der zweite Zweitligist, für ein paar Tage darf man sich als Stadtmeister feiern lassen, auch wenn die Tabelle weiterhin das Gegenteil besagt. 

Union braucht sich deswegen jetzt kein neues Image zu verpassen; die Köpenicker müssen nicht auf ewig den Hauptstadtklub-Besieger mimen. Vielmehr fügt sich der Triumph gegen den Ligakonkurrenten ganz hübsch in das Bild, das der Verein seit einiger Zeit abgibt. Er lebt gut in seinem überschaubaren Kosmos am Rande der Stadt, und immer mal wieder gelingt es ihm, von dort aus ein Stück weit herauszuluken und Empathie in der großen kleinen Welt zu erhaschen. Erst mit gewaltiger Handwerkskunst, als die Anhänger des Klubs das Stadion eigenhändig aufmotzten, und jetzt mit gewaltiger Willensstärke auf dem Platz.

Nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit, nach dem Beinaheabrutsch in die fußballerische Bedeutungslosigkeit vor einigen Jahren, werden die Köpenicker dieses Spielfeld kaum verlassen, sie geben sich eher ein wenig zu genügsam als zu kess. Manchmal mag das vor dem Hintergrund des immer mehr durchkommerzialisierten Fußballs ein wenig schrill daherkommen, vielleicht auch ein wenig schrullig. Ein Erfolg, wie der über Hertha, aber ist dann auch umso überraschender. Und schöner.

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