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Kommentar: Treibstoff fürs Hirn

Christian Hönicke über den neuen Weltmeister-Modus in der Formel 1

Ein Formel-1-Fan wird gemeinhin mit einem schmerbäuchigen Schnauzbartträger um die 50 assoziiert, dessen größte kognitive Leistung es ist, unter dem Einfluss von Sternburg Export-Pils eine ohrenbetäubende Tröte zu bearbeiten. An dieser Stelle wollen wir dem entgegentreten und behaupten einfach mal: Das ist Unsinn. Formel-1-Anhänger sind sensible, flexible und vor allem hochintelligente Menschen. Wie sonst sollten sie in der Lage sein, beim alljährlichen Regel-Memory des Automobil-Weltverbands mitzuspielen?

In diesem Jahr hat es die Fia besonders knifflig gemacht und den Fans eine lexikondicke Neufassung des Regelwerks zum Auswendiglernen beschert. Unter anderem muss der veränderte Modus zur Ermittlung des Weltmeisters verinnerlicht werden. Nicht mehr der Pilot mit den meisten Punkten wird Champion, sondern der mit den meisten Siegen. Dies soll – gemeinsam mit neuer Aerodynamik, profillosen Reifen und Kers-Energiesystem – die Serie aus dem Klammergriff der Taktik befreien. Es soll mehr Überholmanöver und dadurch spannendere Rennen (und natürlich mehr Einnahmen durch Zuschauer) ermöglichen. Einen Versuch erscheint das durchaus wert: Wer den Titel will, dem genügt ein zweiter Platz nicht mehr – er muss attackieren. Dass dadurch Risikobereitschaft und auch Unfallrisiko steigen und der Kampf um die hinteren Plätze abgewertet werden könnte, werden die Verantwortlichen sicher in ihre Kalkulationen mit einbezogen haben.

Allerdings ist die Fia gut beraten, diesem System jetzt auch ein wenig Zeit zur Bewährung zu geben, bevor sie die nächsten Memory-Karten auf den Tisch wirft. Irgendwann könnte sich sonst selbst der Formel-1-Fan mit dem größten Gehirn überfordert fühlen.

Christian Hönicke

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