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Kommentar: Von Abgrund zu Abgrund

Lars Spannagel über das Comeback von Patrik Sinkewitz

Soll man sich freuen, dass ein reuiger Doping-Kronzeuge eine zweite Chance bekommt? Oder sich angeekelt abwenden, weil ein dreister langjähriger Doper wieder aufs Rad steigen darf? Das Comeback von Patrik Sinkewitz macht zuerst ein wenig ratlos, dabei ist es eigentlich sehr aussagekräftig: Am Fall Sinkewitz lassen sich nahezu alle Probleme des Radsports ablesen.

Sinkewitz hat innerhalb von nicht einmal zwei Jahren alles mitgemacht, was seine Sportart an Abgründen bereithält. Nach seinem schweren Sturz bei der Tour de France 2007 war er Opfer, durch seine positive Dopingprobe wurde er nur drei Tage später zum Täter. Zum Kronzeugen wurde er hauptsächlich aus Eigennutz (um nicht zu lange gesperrt zu werden), die ganz großen Enthüllungen blieb er schuldig, Kollegen hat er nicht verpfiffen. Trotzdem wollte ihn kein Team mehr haben, da er das eiserne Schweigen gebrochen hatte. Andererseits verklagte ihn ein Sponsor auf Schadenersatz, weil er nicht mit Doping in Zusammenhang gebracht werden wollte. Die Perversität der Branche: Sinkewitz der Doper war genauso geächtet wie Sinkewitz der Kronzeuge. Für ihn, der nie etwas anderes als Pedaletreten gelernt hatte, blieb nur die bittere Erkenntnis, der Sündenbock für alle Seiten zu sein.

Jetzt fährt der Sündenbock wieder, in der zweiten Reihe. Sinkewitz ist mit 28 Jahren sportlich und finanziell wieder da, wo er als Jungprofi zu Beginn seiner Karriere war. Für Sinkewitz war es nie eine Frage, dass er weiterfahren will, er kann sich keinen anderen Beruf vorstellen. Egal, ob er weitere Erfolge erringt oder in der Versenkung verschwindet – Sinkewitz hat seinen Platz in der Radsportgeschichte: als Symbol ihrer Widersprüche, als Gefangener des Systems.

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