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Kommentar: Von der Wiege bis zur Bahre

Man wird als Fan geboren – und nicht etwa zum Fan gemacht. Katja Reimann begrüßt die Einrichtung einer Kita beim FC St. Pauli.

Man wird nicht als Frau geboren, man wird zur Frau gemacht, schrieb gesellschaftskritisch Simone de Beauvoir. Im Fußball läuft das mit der kulturellen Prägung bekanntlich andersherum. Man wird als Fan geboren – und nicht etwa zum Fan gemacht. Höchst konsequent also, dass der FC St. Pauli nun die Einrichtung einer Kindertagesstätte direkt im Stadion am Millerntor plant. Ab Sommer 2010 soll der Fan-Nachwuchs schon im zartesten Alter dort lernen, wo später gejubelt werden darf. Damit ist endlich eine weitere Lücke geschlossen. Der echte Fußballfan muss sich, ein klein wenig ideologische Flexibilität vorausgesetzt, in seinem Leben von der Geburt bis zum Tod nicht mehr weit vom Spielfeldrand entfernen.

Geboren in einem Bremer Kreißsaal wird er in den ersten Minuten seines Lebens in ein grün-weißes Handtuch gewickelt. Um den Kita-Platz im Hamburger Stadion haben sich die Eltern längst bemüht. Kreuzbandrisse kuriert der junge Kreisligaspieler Jahre später im Rehazentrum von Borussia Mönchengladbach aus, bevor er – gesund und professionell wiederhergestellt – in der Hertha-Kapelle des Berliner Olympiastadions heiraten kann. Nach Jahren des Jubels und Feierns in deutschen Stadien zieht es den echten Fan ins ruhigere Nachbarland, die Schweiz. Dort, beim FC Basel, verlebt er die letzten Tage glücklich im stadionnahen Altersheim. Mit seinem Tode kehrt er zurück nach Norddeutschland – und wird auf dem Friedhof des Hamburger SV beigesetzt. Erben gehen leer aus, denn sein Vermögen stiftet er für einen guten Zweck: die Einrichtung eines Gymnasiums in der Münchner Arena – der letzten Lücke im kompletten Fanleben.

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