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Uefa-Präsident Michel Platini hat seine Macht in Europa mit Zugeständnissen an viele kleinere Länder gesichert, doch seinem Ruf mit Schachzügen, die nicht dem Fußball dienten, geschadet. Zudem arbeitet sein Sohn Laurent Platini für Katar.

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Kommentar zu Michel Platini: Dann lieber Blatter

Michel Platini verzichtet auf eine Kandidatur als Fifa-Präsident. Einst galt der Franzose als Hoffnungsträger für den Weltfußball, doch diesen Ruf ist er los. Ein Kommentar.

Von Christian Hönicke

Wann immer Fußballer von Herzensangelegenheiten sprechen, sollte man hellhörig werden. Meist wird mit diesem Wort eine Vertragsverlängerung nach zähen Verhandlungen begründet – der wahre Hintergrund ist jedoch meist, dass sich keine besseren Alternativen ergeben haben.

Auch für Michel Platini ist es „Herzensentscheidung“, dass er nun doch Präsident der Uefa bleibt und keinen Angriff auf den Thron des Weltverbands Fifa wagt. Es sei „keine Verlegenheitsentscheidung“, das habe vielmehr „mit Leidenschaft für den Fußball“ zu tun. Ein Rückzieher aus Loyalität also, zum Wohle des Fußballs, der ihm einst als Spieler und nun auch als Funktionär so am Herzen liegt?

Ach was. Längst tritt Michel Platini so kühl und berechnend auf, wie man das in diesen Sphären eben tun muss. Und der Franzose ist schlicht machtbewusst genug zu wissen, dass eine Kandidatur gegen Blatter deshalb derzeit bei allem Murren gegen den Alten keinen Erfolg gehabt hätte. „Es ist noch nicht meine Zeit“, sagt er.

Nein, noch ist es die Zeit des Joseph Blatter. Nach Platinis Rückzug ist der Weg frei für den unverwüstlichen Sepp – unabhängig davon, ob Platinis chancenloser Landsmann Jérôme Champagne nun gegen ihn antritt oder nicht. Nach Platinis Rückzug bleibt der Fifa und dem Weltfußball damit ein lähmender interner Grabenkrieg erspart.

Michel Platini zeigte sich selten als Freund des Fußballs

Eine schlechte Nachricht für alle Kritiker der Fifa also? „Frischen Wind“ wollte Michel Platini doch in den Verband und den Fußball allgemein bringen. Doch eine wirkliche Alternative zum umstrittenen Schweizer ist er nicht, nie gewesen. Bei seinen Entscheidungen hat sich der einstige Ballvirtuose selten als Freund des Fußballs gezeigt. Bei der Aufblähung der Uefa-Wettbewerbe, allen voran der Europameisterschaft, hat er stets weniger das Wohl des Spiels als das große Geld im Blick gehabt. Auch seine Nähe zum rohstoffreichen Großsponsor Katar wirft Fragen auf. An der Vergabe der WM 2022 ins Emirat hat Platini nach allem, was wir wissen, sogar aktiv mitgewirkt.

Genau das fällt ihm nun auf die Füße. Der Fifa-Machthaber Blatter spielt die Karte Katar immer wieder genüsslich aus, um Platini als Totengräber des Fußballs zu brandmarken. Anders als der eiskalte Franzose gibt sich der Schweizer betont volkstümlich. Blatter spürt, woher der Wind weht und wohin die Reise geht. Er hat erkannt, dass die Katar-Frage eine Zäsur in der Fußballgeschichte darstellt. Und er bemerkt den Unmut im Fußballvolk, er hört die Stimmen derer, die sagen, dass es so nicht weiter gehen kann. In dieser Hinsicht ist der greise Blatter fortschrittlicher als der ehrgeizige Platini, der gern noch weiter an der Schraube drehen würde.

Vielleicht kommt Michel Platinis Zeit als Herr des Weltfußballs tatsächlich noch. Doch eines sollte auch dann allen klar sein: Der Hoffnungsträger, den man einmal in Platini gesehen haben mag, der ist er nicht. So bitter es zunächst einmal klingt: Vermutlich ist Joseph Blatter sogar die bessere Wahl für den Weltfußball.

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