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Sport: Kommunikationspanne

Die französische Skirennläuferin Regine Cavagnoud schwebt nach ihrem schweren Trainingsunfall weiterhin in Lebensgefahr. In einem Bericht der Ärzte am späten Dienstagnachmittag hieß es, dass bei Cavagnoud "schwere Schäden am Gehirn" festgestellt worden seien.

Die französische Skirennläuferin Regine Cavagnoud schwebt nach ihrem schweren Trainingsunfall weiterhin in Lebensgefahr. In einem Bericht der Ärzte am späten Dienstagnachmittag hieß es, dass bei Cavagnoud "schwere Schäden am Gehirn" festgestellt worden seien. Die Französin war am Montagabend mehr als vier Stunden an Kopf, Brustbein und der Leber operiert worden und liegt auf der Intensivstation der Innsbrucker Universitäts-Klinik in einem künstlichen Koma.

Auch der Zustand des deutschen Trainers Markus Anwander, mit dem Cavagnoud am Montag beim Training in Österreich zusammenstieß, gilt als lebensbedrohlich. "Der Zusammenprall muss enorm gewesen sein. Solche Verletzungen kennen wir sonst nur von Motorradunfällen", sagt Michael Blauth, Vorstand der Unfallchirurgie an der Universitätsklinik Innsbruck. Der französische Mannschaftsarzt Marie-Philippe Rousseaux-Blanchi erklärte am Dienstagmittag: "Ich bin sehr pessimistisch." Wegen des schlechten Zustands der Französin verzichteten die Innsbrucker Ärzte am Dienstag auf eine weitere Operation. Cavagnoud war bereits am Montag vier Stunden lang notoperiert worden. Anwander konnte nach Auskunft des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) noch nicht operiert werden. Den Ärzten sei ein Eingriff wegen einer Gehirnblutung zu riskant. Chirurg Blauth sagte, Anwanders Zustand sei "nicht ganz so ernst wie bei Cavagnoud, aber trotzdem lebensbedrohlich."

Die 31-jährige Cavagnoud, Weltmeisterin im Super-G und Weltcup-Gesamtsiegerin, war am Montagnachmittag auf dem Pitztaler Gletscher in voller Fahrt mit Anwander zusammengeprallt. Wegen eines Herzstillstands musste sie an Ort und Stelle wiederbelebt werden. Der 40-jährige Anwander zog sich einen Schädelbasis- und einen Kieferbruch sowie Verletzungen der Halswirbelsäule zu. Die Polizei schreibt in ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht, Anwander und Cavagnoud seien mit den Köpfen zusammengestoßen und danach noch hundert Meter über den letzten Steilhang der Piste abgestürzt. Ob die Französin, wie anfangs behauptet, tatsächlich ohne Helm unterwegs war, wollten Polizei und Ärzte weder bestätigen noch ausschließen.

Die ermittelnde Staatsanwaltschaft äußerte sich gestern erstmals zur Schuldfrage: "Es ist möglich, dass der deutsche Trainer verantwortlich ist. Er kam in die Piste und war die Ursache für das, was passierte", sagte Pressesprecher Rudolf Koll. Bestätigt wurde, dass der Unfall beim gemeinsamen Training der französischen Damen und des deutschen Nachwuchsteams passiert war. Ort der Kollision war eine von oben schwer einsehbaren Stelle unter einer Kuppe. Nach dem vierten Durchlauf der sechs deutschen Läuferinnen hatte Anwander, angeblich wie vereinbart, die Piste überquert, um sie noch einmal zu präparieren. Genau in diesem Moment raste Cavagnoud heran; Anwander konnte sich nicht mehr in Sicherheit bringen. Die Polizei erklärt, die Französin habe von ihren Betreuern "grünes Licht" für ihren fünften Durchlauf bekommen, spricht aber von offenkundigen Unklarheiten im Trainingsprogramm: "Die Läuferinnen hatten sich an keine Startreihenfolge gehalten."

Als wahrscheinliche Unglücksursache gilt in Österreich und beim DSV eine Kommunikationspanne zwischen dem französischen und dem deutschen Team. Übereinstimmend erklärten der deutsche Damen-Cheftrainer Wolfgang Maier und Frankreichs Trainer Jean-Philippe Vuillet, die beiden Mannschaften hätten unterschiedliche Funkfrequenzen verwendet. Allerdings sei der Start Cavagnouds korrekt gemeldet worden, sagte Vuillet. Anwander habe den Hinweis offenbar nicht empfangen.

"Neuer Irrtum der Deutschen?"

In Frankreich ist Regine Cavagnoud der populärste weibliche Sportstar überhaupt. "Cavagnoud zwischen Leben und Tod" - so titelten die meisten Zeitungen und konzentrierten sich weniger auf die Unfallursache als auf den Gesundheitszustand der 31-Jährigen. Lediglich die Boulevardzeitung "Le Parisien" wagte die Frage: "Ein neuer Irrtum der Deutschen?" So titelte das Blatt und berichtete von einem Unfall 1996, in den ebenfalls ein deutscher Skifunktionär verwickelt war. Harald Schönhaar war bei der Weltmeisterschaft in der Sierra Nevada 1996 von der Russin Tatjana Lebedeva bei einem Trainingslauf umgefahren worden. Beide zogen sich schwere Brüche zu, der deutsche Trainer gab später zu, er habe an diesem Tag vergessen, sein Funkgerät anzustellen.

Dieselbe Frage beschäftigt heute die Franzosen. Cavagnouds persönlicher Trainer Lionel Finance sagte, er habe ein Mitglied des deutschen Teams auf der Spitze der Piste stehen sehen, das den Start der französischen Läuferin beobachten konnte. Nun fragt sich "Le Parisien": "Hat der deutsche Techniker vergessen, seinem Team mitzuteilen, dass die französische Sportlerin gestartet ist oder hat der deutsche Trainer Markus Anwander sein Walkie-Talkie ausgeschaltet gehabt?"

Im Moment des Unglücks waren nach Darstellung der Zeitung "Le Figaro" sieben Franzosen und Deutsche am Rand der Piste. Alle hätten vergeblich versucht, Anwander, der auf der Piste hinter einem Hügel stand, vor der Ankunft von Regine Cavagnoud zu warnen. Der Schock sei dann riesig gewesen. Mannschaftstrainer Vuillet: "Eines ist ganz sicher, Cavagnoud war exakt in ihrer Spur, sie ist keinesfalls irgendwie außerhalb der vorgezeichneten Piste gewesen."

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