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Der Anton aus Wien. Fünf Jahre spielte Wilczynski für die Füchse.

© K.-U. Heinrich

Konrad Wilczynski: Füchse im Kopf

Im Sommer 2011 hat Konrad Wilczynski den Handballbundesligisten Füchse Berlin verlassen, um bei seinem Heimatverein SG Handball Westwien als Spieler und Vereinsmanager zu arbeiten. Ein Porträt.

Ab und zu schaut er noch mal in seinem alten Revier vorbei, bei den Füchsen. Dann trägt er wieder sein gelb-violettes Trikot mit der Nummer 17 und feuert seine früheren Mitspieler an – zusammen mit denen, die einst ihm zugejubelt haben. Fünf Jahre lang hat Konrad Wilczynski bei den Füchsen Berlin gespielt. Er war Torschützenkönig, Werbegesicht und Publikumsliebling. Im Sommer 2011 hat Wilczynski den Handballbundesligisten verlassen, um bei seinem Heimatverein SG Handball Westwien als Spieler und Vereinsmanager zu arbeiten.

Seit knapp zwei Jahren ist er wieder dort, wo alles angefangen hat, wo sie ihn wegen seiner trickreichen Drehwürfe „Wuzzlerkönig“ nennen und wo alles eine Nummer kleiner ist: An einem Februarabend steht das Wiener Handball-Derby an. Westwien muss beim Lokalrivalen Margareten Fivers in den Play-offs ran. Die Sporthalle ist in ein Wohnhochhaus eingebaut. Die Glasfront erinnert auf den ersten Blick eher an ein Parkhaus als an eine Sportstätte. Mit 1500 Besuchern ist die Halle bummvoll, wie es hier heißt. Oben, auf dem Gang hinter der Tribüne, toben Kinder und schmeißen Handbälle scheppernd gegen eine Metalltür. Unten in der Halle werfen sich die Mannschaften warm. Nur Wilczynski geht allein die Mittellinie ab, sammelt Bälle auf.

Länger als in Sporthallen hält er sich mittlerweile in einer weißen Villa im Wiener Südwesten, unweit vom Schloss Schönbrunn, auf. Statt des giftgrünen Trikots von Westwien trägt der 31-Jährige dann weißes Hemd und Jeans. Die Villa gehört dem Hauptsponsor des Vereins. Nach seiner Zeit in Berlin hat Wilczynski eine neue Herausforderung gesucht, wie er erzählt. Entweder als Profi in Deutschland oder in Österreich, dann aber mit einer beruflichen Perspektive verbunden. Sein Jugendverein Westwien bot ihm an, Manager und Spieler in Personalunion zu werden – eine Kombination, die nicht nur im Profihandball eine absolute Seltenheit ist.

Frühmorgens beginnt hier Wilczynskis Arbeitstag im Büro und endet spätabends nach dem Training mit der Mannschaft in einer Sporthalle südlich von Wien. Bis zu sechsmal in der Woche trainiert er dort, hinzu kommen noch die Spiele am Wochenende. „Am Sonntag versuche ich dann, die Akkus wieder aufzuladen.“ Auf Dauer will er nur noch als Manager arbeiten. „Sonst verliert man an Glaubwürdigkeit.“ Aber so lange es geht, will er spielen, eine Saison noch. Mindestens.

Hier in Wien-Hietzing, wo die Villa steht, ist Konrad Wilczynski auch zur Schule gegangen. Als Kind spielt er zunächst Tennis, ein bisschen Fußball. Ein Freund nimmt den Zehnjährigen mit zum Endspiel der B-Weltmeisterschaft 1992 in die Wiener Stadthalle – Österreich gegen Norwegen. Konrad ist sofort begeistert von der Stimmung der 9000 Zuschauer und der Dynamik der Sportart. Österreich verliert 19:26. Doch den kleinen Konrad hat der Sport für sich gewonnen. Eine Woche danach ist er zum ersten Mal beim Jugendtraining von Westwien. 18 Jahre später, bei der EM 2010, wird er selbst in der Stadthalle für Österreich spielen.

Ein Hauch von 2010 umweht auch das Wiener Derby an diesem Abend. „Sweet Caroline!“, plärrt DJ Ötzi aus den Lautsprechern – der offizielle EM-Song 2010. „Uo-ho-ho!“, antworten die Zuschauer und zücken die Klatschpappen – ihr Aufwärmen vor dem Spiel. Zu DJ Ötzis Musik hatte Wilczynski in Berlin eine besondere Beziehung. Wenn der „Conny“ aus Wien für die Füchse traf, ertönte in der Max-Schmeling-Halle „der Anton aus Tirol“. Der Verein ist eigentlich bekannt für seine geschickte Außendarstellung. Dass es in seinem Fall überhaupt nicht passte, dafür hat Wilczynski eine einfache Erklärung: „Ich glaube, es war das einzige österreichische Lied, das der Hallensprecher kannte“, sagt er grinsend. „Ich bin froh, dass der Anton in Wien nicht mehr gespielt wird. Der soll in Berlin bleiben.“

Im Derby hat Linksaußen Wilczynski wenige Ballkontakte. Dennoch ist er der beste Torschütze seiner Mannschaft mit sieben Treffern, fünf per Siebenmeter. Nach der Pause kommt er selten zum Einsatz. Er verfolgt das Spiel meist regungslos von der Bank. Am Ende verliert sein Team 28:35: Diese Saison wird es nichts mehr mit dem sechsten Meistertitel für Westwien. Als Manager hat Wilczynski noch Zeit. Aber es ist sein Ziel, das hat er jüngst erklärt. Mit österreichischen Nachwuchsspielern, in einer eigenen Halle. Er will so etwas wie die Füchse Berlin auf Wiener Niveau schaffen – etwas kleiner eben. Aber das ist hier schon schwer genug. „Der typische Wiener geht lieber ins Kaffeehaus, in die Oper oder ins Theater“, sagt Wilczynski. „Aber die Sportart hat definitiv Potenzial“, sagt er. „Das hat die EM 2010 gezeigt, als die Hallen mit bis zu 10 000 Leuten gefüllt waren.“

Diese EM 2010 – für Wilczynski war sie Höhepunkt und Wendepunkt seiner Karriere: Im letzten Gruppenspiel gegen Serbien erleidet er einen Bänderriss am rechten Handgelenk. Er spielt noch die verbleibenden Hauptrundenpartien. Dann geht es nicht mehr. Er steht vor der Frage: operieren oder nicht? Er entscheidet sich für die konservative Variante; die Gefahr, dass er durch Vernarbungen hinterher seine Wurfhand nicht mehr richtig bewegen kann, schreckt ihn mehr als die längere Verletzungspause. Als Ersatz für ihn verpflichten die Füchse den kroatischen Linksaußen Ivan Nincevic.

An ihm kommt Wilczynski nicht mehr vorbei. Im Sommer 2011, nach fünf Jahren, verlässt er Berlin. „Sport ist einfach kurzlebig.“ Er sagt es ohne Hadern. Denn die guten Erinnerungen überwiegen. Mit Manager Bob Hanning telefoniert er öfters. „Wichtig ist, dass man im Guten geht, weil man sich immer wieder sieht.“ So wie im Februar, als er beim Champions-League-Spiel gegen Barcelona mal wieder in Berlin vorbeigeschaut hat. Nach dem 31:30-Sieg hat er mit den Kollegen von früher gefeiert. Bei den Füchsen fühlt sich Konrad Wilczynski noch immer heimisch, so „als wäre man nie weg gewesen“. Er freut sich, dass der Weg der Füchse weiter nach oben führt. „Ich frage mich nur, wann es denn nicht mehr ganz so steil bergauf geht, ohne es ihnen zu wünschen“, sagt er, der Beobachter aus der Ferne. „Schön, dass ich ein bisschen dabei mitwirken konnte.“

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