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Sport: Konter zum zweiten Auswärtssieg

Mit vollen Segeln überrundet die Schweizer Yacht Alinghi beim America´s Cup erneut Titelverteidiger Neuseeland – und steht vor einer Sensation

Auckland. Über den Dächern von Murrays Bay kündigte sich das Drama an. Die Straßen und Vorgärten waren menschenleer. Nur die Stimme des neuseeländischen Fernseh-Kommentators und das Raunen der Menschen schallte durch die offenen Fenster. „Oh!“, „ah!“ „yes!“ und am Ende ein langes „nooo!“ Dean Barker, Steuermann des Teams New Zealand, hatte draußen vor der Bucht die zweite Wettfahrt um den Americas Cup auf den letzten Metern gegen die Schweizer Herausforderer in der Alinghi verloren.

Einen Tag nach der Pannenserie der Neuseeländer, die in der Auftakt-Wettfahrt als erstes Team in der 152-jährigen Cup-Geschichte bereits nach 25 Minuten aufgeben mussten. Mit nur sieben Sekunden Rückstand verloren die Neuseeländer diesmal. Nach einem packenden America’s-Cup-Rennen, das die Schweizer einen Punkt näher an den Gewinn der bodenlosen Silberkanne brachte und die Herzen der Neuseeländer brach. Zum dritten der maximal neun Duelle treffen sich die Konkurrenten in der Nacht zu Dienstag (0.50 Uhr/live in ARD und Eurosport). „Es wird noch viele heiße Matches geben“, sagt Jochen Schümann. Der Berliner ist Sportdirektor und Stratege auf der Alinghi.

Vier Mal hatte die Führung auf dem 18,5 Seemeilen langen Kurs gewechselt. Die schwarze NZL 82 hatte zeitweise bis zu 200 Meter geführt und war nach der letzten Mark-Umrundung mit 24 Sekunden Vorsprung auf die letzte Runde gegangen. Alinghi konterte, setzte ein zusätzliches Segel, schlich sich langsam an die Cup-Verteidiger aus Neuseeland heran und zog elf Minuten vor Ende des Rennens mit der besseren Brise an Barker und Co. vorbei. Das Rennen, das bei schwachen Winden zwischen acht und zwölf Knoten stattfand, konnte wegen zahlreicher Besucherboote, die unerlaubt in den Kurs gefahren waren, erst mit mehr als zweieinhalb Stunden Verspätung gestartet werden. Die Männer auf der Alinghi nutzten die Wartezeit, indem sie Geschwindigkeits-Testläufe mit ihrem Sparringsboot absolvierten.

Die Neuseeländer mussten auf das Anpassen mit dem Trainingsboot verzichten. Es war am ersten Tag ebenfalls ramponiert worden. Warum, wollte Dean Barker nicht preisgeben. Jedenfalls war seine Crew während der Wartezeit zur Untätigkeit verdammt. Als es später ernst wurde, erwiesen sich Russell Coutts und Taktiker Brad Butterworth, die zwei Neuseeländer auf der Alinghi, als die erfahreneren Segler. „Denn die Boote waren gleich schnell“, sagte Schümann. „Wir haben die Führung zu Beginn verschenkt und mussten sie hart zurückerkämpfen“, räumte Schümann ein.

Coutts baute mit dem Sieg seinen Rekord auf zwölf Siege in America’s- Cup-Rennen aus. Sein 29-jähriger Zögling Barker und dessen Crew auf der NZL 82 wurden dennoch bei der Rückkehr in den Hafen von Tausenden mit Beifall empfangen. „Loyal“, die Hymne des neuseeländischen Rockstars Dave Dobbyn, dröhnte über das Wasser. Und Fans forderten „Tom Schnackenberg als Premierminister“. Schnackenberg ist der Chef des neuseeländischen America’s-Cup-Syndikats. In Neuseeland kennt die Unterstützung der heimischen Segler keine Grenzen. In der Nacht vor den Rennen bleibt der Sky-Tower, das Wahrzeichen Aucklands, dunkel. Schließlich ist das neuseeländische Team in Schwarz gekleidet. Deshalb wurde in allen öffentlichen Toiletten im America’s-Cup- Hafen die üblicherweise rosa Flüssigseife durch schwarze ausgetauscht.

Über die Leistung der im Vorfeld als radikal bezeichneten Design-Innovationen der Gastgeber muss nach den beiden Rennen weiter spekuliert werden. „Weder der Hula, die zweite Hülle unter dem Rumpf, noch die fast sieben Meter lange Kielbombe haben Neuseeland einen Vorsprung verschafft“, analysierte der Hamburger Tim Kröger. Er hatte das Rennen live für die ARD kommentiert. Als die Bewohner von Murrays Bay das spannendste Rennen ihres Lebens sahen, schauten die Zuschauer in Deutschland jedoch die Kindersendung „Hallo Spencer“. Um 5.30 Uhr hatte die ARD die Übertragung abgebrochen. Als Alinghi die Ziellinie überquerte, war Deutschland längst von Bord.

Ingo Petz

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