zum Hauptinhalt

Sport: Kraft schlägt Technik

Spanien wird erstmals Handball-Weltmeister

Sie galten als unschlagbar, hatten in den letzten zwei Jahren fast alle entscheidenden Spiele gewonnen. Angeführt von starken Individualisten wie Ivano Balic, Petar Metlicic und Mirza Dzomba wurde die kroatische Handball-Nationalmannschaft 2003 Weltmeister, ein Jahr später holte sie Gold beim olympischen Turnier in Athen. Doch bei der WM-Titelverteidigung erlebte der 4:1-Wettfavorit gestern vor 11 000 Zuschauern im tunesischen Rades ein Debakel. Mit 34:40 (13:21) unterlag die Mannschaft von Trainer Lino Cervar im Duell der beiden fairsten Teams des Turniers dem Außenseiter Spanien. Die Spanier durften sich über ihre erste Medaille in der 67-jährigen Geschichte der Handball-WM freuen.

Zunächst gestaltete sich das Spiel ausgeglichen. Bis zum 6:6 durch den Kroaten Balic in der 10. Minute konnte sich keine Mannschaft deutlich absetzen. Die Kroaten ließen bis dahin ihre außergewöhnlichen spielerischen Möglichkeiten aufblitzen, doch dann zogen die physisch stärkeren Spanier unwiderstehlich auf und davon. Grundlage dessen war der herausragend haltende Torwart der Spanier, David Barrufet, der in den ersten 30 Minuten 35 Prozent der kroatischen Würfe parierte. Immer wieder scheiterte der Titelverteidiger an dem Mann vom FC Barcelona. Auf der Gegenseite konnte sich die sehr homogen auftretende spanische Offensive zumeist gegen den Kroaten im Tor, Vlado Sola, durchsetzen. In der 13. Minute lag Spanien 9:6 dank des brillanten Juan Garcia erstmals mit drei Toren in Front. Garcia gelangen allein sieben Treffer in den ersten 30 Minuten.

Die kroatischen Titelverteidiger reagierten entnervt. Coach Lino Cervar verlangte eine Auszeit. Die rund 1500 Fans aus Zagreb und Split hofften vergeblich auf eine Wende wie noch im Vorrundenspiel, als Kroatien einen 6:12-Rückstand gegen Spanien in einen 33:31-Sieg umgewandelt hatte. Doch die Wende blieb aus, Spanien hielt sein hohes Niveau aufrecht. Über 15:8 (20.) gingen die Rot-Gelben mit einem sensationell anmutenden Acht-Tore-Vorsprung in die Pause.

Damit war die Partie gelaufen für Spanien. Denn auch in der zweiten Halbzeit änderte sich an der Situation nichts Grundlegendes: Die spanische Abwehr hielt weiter dicht, und beim 29:18 durch Garcia (42. Minute) war die Partie entschieden zugunsten der Spanier. Das souveräne deutsche Schiedsrichtergespann Lemme/Ullrich aus Magdeburg kam so um eine hektische Schlussphase herum. Die Überraschung war perfekt.

Rang drei sicherte sich wie vor zwei Jahren Frankreich durch ein 26:25 (10:14) über Gastgeber Tunesien. Den entscheidenden Treffer zu Platz drei für die Franzosen hatte Joel Abati vom SC Magdeburg mit einem verwandelten Siebenmeter in der Schlussminute erzielt.

Die WM in Tunesien war ein Turnier auf relativ niedrigem spielerischen Niveau. Selbst die Kroaten, die im Halbfinale gegen Frankreich (35:32) eine überzeugende Leistung auf das Parkett gelegt hatten, waren nicht in der Lage, ihre zuletzt gezeigte Konstanz zu unterstreichen. Der krasse Außenseiter Tunesien schrammte als WM-Vierter nur knapp an einer Medaille vorbei – trotz der fanatischen Unterstützung der einheimischen Zuschauer. Diese Überraschung ist nur dadurch zu erklären, dass sich Tunesien – wie auch der WM-Sechste Griechenland – durch eine monatelange Vorbereitung eingespielter und frischer zeigte als die etablierten Handball-Nationen aus Europa, die sich wie Deutschland oder Schweden in einer Übergangsphase befinden. Andere große Favoriten wie Dänemark und Frankreich wirkten in diesem dritten großen Turnier innerhalb von zwölf Monaten überspielt. Nicht zufällig gewann mit Spanien ein Team, dessen Spieler in der spanischen Liga nicht so stark beansprucht werden wie etwa die Bundesligaspsieler. Am Ende siegte auch die Physis, die blanke Kraft über filigrane Technik.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false