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© dpa-Zentralbild

Krise beim DFB: Ein Vorschuss an Misstrauen für Löw

Offiziell wurden die Vertragsverhandlungen mit Bundestrainer Joachim Löw vertagt – aber hat er noch eine Zukunft beim DFB?

Berlin - Es ist noch gar nicht allzu lange her, da galt Joachim Löw in der kleinen Welt des großen Fußballs als eine früh gescheiterte Existenz. Bevor ihn der Ruf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ereilte, hatte Löw den Karlsruher SC in die dritte Liga trainiert, anschließend in der Türkei und Österreich gearbeitet. Türkei und Österreich – das ist das Ende jeder seriösen Trainerkarriere. Ein bisschen schleppt Löw diese Vergangenheit immer noch mit sich herum, zumindest indirekt. Im DFB jedenfalls gibt es vermutlich einige Leute, die glauben, dass der Bundestrainer dem Verband zu unendlichem Dank verpflichtet sei. Der DFB war es doch, der ihm vor sechs Jahren überhaupt die Chance zum Neuanfang gegeben hat.

Die Sache aber hat mindestens zwei Haken: Joachim Löw hat sich nie als Gescheiterten betrachtet, und Joachim Löw hat auch auf dem vermeintlichen Tiefpunkt seiner Karriere eines nicht gemacht: wider die eigenen Überzeugungen gehandelt. Genau diese Haltung hat im März 2004 zu seiner Beurlaubung bei Austria Wien geführt – obwohl Löw mit seiner Mannschaft Tabellenführer war.

Löw hat sich auch damals nicht verbiegen lassen. Dass er dem Mäzen der Austria, dem Milliardär Frank Stronach, nach jedem Spiel telefonisch Bericht erstatten sollte, war ihm ein Greuel; zum Bruch aber kam es, als Stronach Löw den Sportdirektor der Austria als Aufpasser auf die Bank setzen wollte. „Alle Entscheidungen trifft am Ende des Tages der Cheftrainer“, sagte Löw, und obwohl die Unnachgiebigkeit schließlich in seine Entlassung mündete, war Löw später froh, „dass ich keine Kompromisse eingegangen bin“.

Was das für seine Zukunft als Bundestrainer bedeutet, kann sich jeder selbst ausrechnen. „Es ist kein Vertrauen mehr da“, sagte ein Insider dem Tagesspiegel nach der Präsidiumssitzung des DFB. „Da ist alles kaputt gegangen.“ Dafür spricht auch Löws Reaktion. Im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur äußerte er seine Verwunderung „über die plötzlich in der Öffentlichkeit diskutierten angeblichen Vertragsdetails. Dadurch sind viele Unwahrheiten in Umlauf gekommen.“ Zwanziger wollte diese Vorwürfe nicht kommentieren.

Offiziell wurden die Verhandlungen über Löws Vertrag als Bundestrainer bis nach der Weltmeisterschaft im Sommer vertagt; in Wirklichkeit aber ist es mehr als fraglich, ob es nach der Vorgeschichte für Löw und seine Mitstreiter, allen voran Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff, beim DFB überhaupt noch eine Zukunft geben kann. Der Abbruch der Verhandlungen war wohl das letzte Mittel, um gerade vier Monate vor der Weltmeisterschaft zumindest den ganz großen Knall zu vermeiden. „Wir wollen die Vorbereitung auf die WM nicht gefährden“, sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger.

Angefangen hat die Affäre Ende vorigen Jahres. Mitte Dezember trafen sich Löw und Zwanziger zur ersten Verhandlungsrunde; wie weit die Gespräche wirklich gediehen waren, wissen wohl nur die Beteiligten. Noch am selben Tag aber berichtete die „Bild“-Zeitung von einer Einigung beider Seiten; per Handschlag sei die Vertragsverlängerung besiegelt worden. Diese Version der Geschichte hat Löw nie bestätigt. Im Gegenteil. Schon in der offiziellen Pressemitteilung des DFB über die vermeintliche Einigung wird der Bundestrainer mit den Worten zitiert, dass noch einige Punkte zu klären seien.

Sollte Löw also mit der aus dem DFB lancierten Meldung unter Druck gesetzt werden? Wenn das der Plan war, dann ist er gehörig in die Hose gegangen. Weil die Verhandlungen nicht mehr scheitern durften, fand sich Löw plötzlich in einer Position der Stärke wieder. Entsprechend forsch nahmen sich die Forderungen seines Lagers für eine Vertragsverlängerung aus. Das hat im Verband alte Ängste vor einem zu starken Eigenleben der Nationalmannschaftsclique aufkommen lassen, aber auch in der Liga die skeptische Haltung gegenüber Löws Politik verstärkt.

Der Bundestrainer sieht das anders: „Von unserer Seite wurde ein verhandelbarer Vorschlag vorgelegt.“ Auf eine Antwort des DFB aber warteten Löw und Bierhoff vergebens. Stattdessen erhielten sie kurz vor der außerordentlichen Präsidiumssitzung am Donnerstag ein neues Angebot vom DFB, das Löw wohl als Zumutung empfand – und als Ausdruck des Misstrauens an seiner Arbeit. Es war zudem verbunden mit einem Ultimatum: Innerhalb von 48 Stunden sollte die sportliche Leitung dem Vorschlag zustimmen. Noch während dieser Frist erschien, erneut in „Bild“, ein Bericht, der offenbar bestens über die Forderungen Bierhoffs informiert war. Die unterschwellige Botschaft: Die Geld- und Machtgier des Managers gefährden die Vertragsverlängerung mit dem Bundestrainer.

„Aktuell ist die Atmosphäre sicher etwas belastet“, sagt DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach. „Aber wir sind total überzeugt, dass Richtung WM alles professionell und loyal abläuft.“ Auch Zwanziger erklärte, „dass unsere ganze Konzentration jetzt der WM gilt“. Doch Joachim Löw, der sich mit seiner Arbeit auch innerhalb des DFB eine hohe Achtung erworben hat, muss bei der Weltmeisterschaft angesichts seiner unsicheren Vertragssituation nahezu bei null anfangen. Die alten Verdienste spielen keine Rolle mehr, anders als noch bei der EM 2008, als Zwanziger selbst bei einem Vorrundenaus mit Löw weitermachen wollte. Scheitert der Bundestrainer mit seiner Mannschaft in Südafrika unerwartet früh, wäre er seinen Job auf jeden Fall los – der DFB müsste nicht einmal eine Abfindung zahlen. Was aber passiert, wenn Löw ins Finale kommt oder sogar den Titel holt? Dann wäre der Bundestrainer erst recht der starke Mann.

Genauso spannend ist die Frage, wie sehr die Angelegenheit Löw vor und während der WM auch im Umgang mit der Mannschaft belasten wird. „Wir werden das für uns jetzt in der Arbeit ausblenden“, sagt Oliver Bierhoff. An diesem Wochenende ergibt sich die erste Gelegenheit herauszufinden, ob das überhaupt möglich ist. Am Sonntag werden in Warschau die Qualifikationsgruppen für die Europameisterschaft 2012 ausgelost. Die deutsche Delegation bilden Joachim Löw, Oliver Bierhoff, Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach.

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