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Positive oder negative Energie? Anfang 2007 stellte der FC Schalke 04 seinen neuen Trikotsponsor vor. Seitdem gibt es mal mehr und mal weniger Aufregung um diese Verbindung.

© dpa

Kritik an Hauptsponsor Gazprom: FC Schalke 04 - der Preis der Moral

Für einen Sack voll Rubel: Die Partnerschaft mit Gazprom ist nicht jedem Fußballfan des FC Schalke 04 geheuer. Und dass Vereinsboss Clemens Tönnies über eine Russlandreise nachdachte, ebenso wenig.

Gerade als die Angelegenheit sich wieder ein wenig zu beruhigen schien, ja, als es sogar so aussah, als sei das Problem ausgesessen, tauchte das Thema auf einmal wieder Schwarz auf Weiß auf. Und das auch noch mit einer erschütternden Wucht. Schalke 04 und sein Sponsor Gazprom. Das ist eine Verbindung, die viele beim Revierklub am liebsten nur auf den Geldfluss beschränken würden. Wäre da nicht die politische Dimension, weil es sich bei Gazprom um einen russischen Staatskonzern handelt, zwangsläufig der Name Wladimir Putin dabei vorkommt, und das in Zeiten der Ukrainekrise noch einmal besonders heikel erscheint.

Nun war im „Handelsblatt“ von Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ausgerechnet dies zu lesen: „Die Mannschaft würde gerne einmal den Kreml sehen und interessiert sich für Moskau.“ Der Fleischfabrikant deutete zugleich einen vagen Zeitraum an, in dem er sich eine Schalker Reise nach Russland vorstellen könne. „Sicher nicht vor der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer. Zudem hat der Präsident im Augenblick viel wichtigere Themen auf der Tagesordnung. Es ist jetzt nicht die Zeit dafür“, sagte Tönnies. Es gehe nicht allein um Putin.

Was in diesen Aussagen steckt, wurde wohl auch Tönnies im Anschluss bewusst. Am Donnerstag teilte jedenfalls ein Sprecher seines Unternehmens zu der angedeuteten Reise mit, dass „es aktuell keine Beschäftigung mit dieser Frage gibt, da dies aufgrund der aktuellen politischen Situation nicht angebracht wäre“.

Der FC Schalke 04 soll pro Saison 15 Millionen Euro von Gazprom erhalten

Der Verein hatte sich zuletzt, als diese Diskussionen im März erstmals geführt wurden, klar in der Frage positioniert, ob die Profimannschaft einer Einladung von Präsident Putin zum persönlichen Besuch nachkommen werde. „Eine Reise ist nicht geplant“, sagte etwa Vorstandsmitglied Horst Heldt, antwortete aber eher barsch auf die Frage nach der Zusammenarbeit mit dem russischen Staatskonzern Gazprom, der seit Sommer 2007 Hauptsponsor der Schalker ist und jährlich 15 Millionen Euro plus Prämien bei Erfüllung sportlicher Ziele an den Klub zahlen soll. „Wir sind hier doch nicht beim Politbarometer.“ Pikant wird diese Angelegenheit auch dadurch, dass Tönnies Putin zu seinen Freunden zählt. Und auf Wunsch des russischen Staatschefs soll der 58-Jährige mit seinen Fleischwerken (mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2013) in Russland investieren, wo er Schweine mästen und Ackerbau betreiben will. Es soll sich um ein Gesamtvolumen von 600 Millionen Euro handeln.

Die Diskussion um die Verbindung zwischen Sponsoren und Vereinen ist so alt, solange es den Austausch zwischen dem Geld eines Konzerns und dem positiven Image eines Vereins gibt. Doch die Debatten haben sich spätestens seit dem Zeitpunkt verändert, seit dem die Schalker Gazprom auf ihrer Brust tragen. Die Debatten um demokratische Werte und die moralische Integrität des Energiekonzerns und die Verantwortung des Ruhrgebietsklubs gegenüber seinen Werten wurden lange Zeit hitzig geführt. Und sind bis heute nie ganz abgeklungen. Einige Fans des Ruhrgebietsklubs haben nie ihren Frieden mit dieser Verbindung gemacht. Zum Beispiel Roman Kolbe. Anfang März hatte sich Kolbe, langjähriger Anhänger des Klubs und Autor des traditionellen Fanmagazins „Schalke Unser“, an den Ehrenrat des Klubs gewandt, um grundsätzlich prüfen zu lassen, ob eine Reise nach Russland mit der Vereinssatzung zu vereinbaren sei.

Auch bei Werder Bremen gab es 2012 Unmut über einen Sponsor

Russland ist ein schönes Land, denkt sich wohl Clemens Tönnies.
Russland ist ein schönes Land, denkt sich wohl Clemens Tönnies.

© Imago

Doch nicht nur die Schalker verursachten mit Gazprom zuletzt in der Bundesliga große Unstimmigkeiten zwischen Verein und den eigenen Fans. Werder Bremen hatte mit der Bekanntgabe des neuen Sponsors Wiesenhof im Jahr 2012 ebenfalls sein Fanlager gespalten. Dem Unternehmen, das Werder bis zu sechs Millionen Euro jährlich überweisen soll, wird von Tierschützern unter anderem Tierquälerei vorgeworfen. Einige Anhänger reagierten prompt und beendeten ihre Mitgliedschaft. Auch Grünen-Politiker Jürgen Trittin trat aufgrund dieser Verbindung als Werder-Botschafter zurück und teilte der Öffentlichkeit mit: „Werder-Fans, die diesen Verein über viele Jahre begleiten, die schämen sich für diesen Sponsor.“

Die Vereinsverantwortlichen bedauerten die Austritte und versicherten, die Produktionsstätten persönlich in Augenschein genommen zu haben. Die hohen Einnahmen für den finanziell nicht gerade üppig ausgestatteten Klub dürften auch hier das ausschlaggebende Argument gewesen sein, um sämtliche Bedenken zu verwerfen. Im Februar 2014 verlängerte Bremen den Vertrag mit dem Unternehmen erneut um zwei Jahre.

Ein besonderes Beispiel für die völlige Verschmelzung von Konzern und Sportverein ist derzeit das Projekt Rasenballsport (RB) Leipzig. Ein Verein, der im Rahmen der Sponsoringaktivitäten des Getränkeimperiums Red Bull entstanden ist. Der Klub, der vom Brausehersteller Dietrich Mateschitz finanziert wird, ist gerade drauf und dran, in die Zweite Liga aufzusteigen. Wie groß die Ablehnung gegen dieses Projekt bei vielen Fangruppierungen ist, das ist kaum zu übersehen. Eine Reihe von Vereinen, die gegen RB Freundschaftsspiele austragen wollten, wurden von ihren eigenen Anhängern dazu gezwungen, diese wieder abzusagen. „Mir war das Politikum RB Leipzig, was viele Fans auch bundesweit bewegt, in diesem Maße nicht bewusst“, sagte der damalige Geschäftsführer der Offenbacher Kickers, Jörg Hambückers, im Jahr 2012.

Mit Jägermeister bei Eintracht Braunschweig fing alles an

Es geht in dieser Diskussion um Emotionen, Image und die Frage, wie viel Einfluss ein Unternehmen auf einen Klub nehmen darf. Eintracht Braunschweig führte diese Auseinandersetzung bereits in den siebziger Jahren, als Mäzen und Kräuterlikörfabrikant Günter Mast aus dem traditionsreichen BTSV „Jägermeister“ Braunschweig machen wollte. Auch wenn es vor allem ein genialer Marketingschachzug des Präsidenten war, so begann damals die hitzige Auseinandersetzung zwischen den vermeintlichen Polen Tradition und Kommerz in der Bundesliga. Masts Idee wurde bekanntlich nicht umgesetzt.

Die Schalker sind dagegen eine Partnerschaft mit Gazprom eingegangen. Versicherungsmathematiker Kolbe, der viele Schalker Anhänger hinter sich glaubt, von anderen aber als Nestbeschmutzer verunglimpft wird, argumentierte bei seiner Anfrage im März an den Ehrenrat folgendermaßen: „Wir sollten nicht als Steigbügelhalter für einen Autokraten fungieren und ihn mit einem Besuch adeln.“ Seitdem war es allerdings gänzlich still geworden um das heikle Thema. Offiziell wollten sich die Schalker zu diesem Thema nicht äußern. Dennoch: Vereinsgremium und Kritiker hatten offenbar eine im Verborgenen getroffene Einigung erzielt. Beide Seiten schienen zufrieden zu sein und hielten sich zurück.

Der neue Vorstoß des Schalker Aufsichtsratschefs dürfte die moralische Debatte, die seit jeher auch um das Sponsorenengagement des russischen Gazprom-Konzerns bei Schalke geführt wird, nun wieder anheizen. Tönnies’ Argumentation: „Sollen wir einen Weltkrieg provozieren, oder was? Uns ist nicht egal, was Russland macht – da haben wir ein hohes Maß an Verantwortung“, sagte er. „Aber es wird eine Zeit nach der Krise geben. Wir dürfen nicht alle Bande zerreißen.“

Der Verein teilte am Donnerstag noch einmal mit: „Eine Reise nach Russland ist definitiv nicht geplant.“

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