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Sport: Krumm machen für Völler

Wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation gegen Schottland spielen müsste

Dortmund. Rudi Völler nimmt die drei Stufen hoch zum Podium in einem Satz. Dann zieht er sich die Trainingsjacke energisch bis unter die Kinnspitze zu und sagt: „Wenn ich ein paar Kilo leichter wäre, würde ich morgen da rausgehen und selber spielen. Ihr glaubt ja gar nicht, was ich dafür hergeben würde.“ Völler sagt diese Sätze im überfüllten Presseraum des Dortmunder Westfalenstadions, wo heute Abend (20.45 Uhr, live in der ARD) vor 66000 Zuschauern das wahrscheinlich wichtigste Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in diesem Jahr stattfindet. Ein Sieg über Schottland wäre für Völlers Team „ein großer Schritt in Richtung Portugal“, wo im kommenden Jahr die Europameisterschaft ausgespielt wird. Eine Niederlage „wäre fatal“.

Auf Sebastian Deislers Fußball-Geschick wird Völler heute nicht bauen können. Der Münchner reiste gestern früh ab, eine im Training erlittene Muskelverletzung macht seinen Einsatz unmöglich. Der Münchner ist nach Dietmar Hamann, Paul Freier und Jens Jeremies der vierte Mittelfeldspieler, der gegen Schottland ausfällt. Völlers Spielraum ist derart eingeschränkt, dass er wohl oder übel auf einen Großteil der Spieler zurückgreifen muss, die sich am Samstag beim 0:0 in Island nicht allzu geschickt angestellt haben. Offen ist noch, ob die angeschlagenen Leverkusener Carsten Ramelow und Oliver Neuville spielen können. Den Platz des Hamburgers Christian Rahn im linken, defensiven Mittelfeld wird Tobias Rau einnehmen. Und im Angriff wird der Berliner Fredi Bobic den formschwachen Miroslav Klose ersetzen. Bobic hat zwar auch noch kein Tor in der Bundesliga geschossen, aber Völler setzt auf seine „Art, wie er sich ins Spiel haut“.

Da die Schotten ähnlich wie die Isländer sehr körperbetont und geradlinig spielen,verlangt Völler nach Spielern, „die sich dem Gegner selbstbewusst und mit Hingabe entgegenstellen“. Vor allem von seinen Mittelfeldspielern erwartet der Teamchef mehr Leidenschaft und Laufbereitschaft. Da die Schotten sehr stark im Kopfballspiel sind, werden Flanken aus dem linken oder rechten Halbfeld in den Strafraum hinein kein gutes Rezept sein. Die Deutschen können nur dann gefährlich in den Rücken der robusten schottischen Abwehrspieler flanken, wenn sich Rau oder Friedrich auf den Außenpositionen bis auf die Grundlinie durchsetzen. Bobic braucht verwertbare Flanken, im Spiel eins gegen eins im Strafraum ist er den Schotten unterlegen.

Viel wird davon abhängen, ob und wie sich der Münchner Michael Ballack ins Spiel der Deutschen einbringen kann. Gegen Island blieb er wirkungslos. Er und – mit Abstrichen – der Leverkusener Bernd Schneider sind in der Lage, mit einem überraschenden Pass aus dem Spiel heraus eine gefährliche Situation einzuleiten. Wenn Ballack und Schneider abgemeldet werden, ist das Spiel statisch und berechenbar. Zudem müssen die Deutschen auf Standardsituationen aus sein. Ecken und Freistöße in Strafraumnähe könnten ein Mittel sein, da dann auch die eigenen, kopfballstarken Abwehrspieler mit eingreifen würden.

Wichtig wird es sein, in der Defensive sicher zu stehen. Vor allem der Bremer Frank Baumann wird sehr auf sein Stellungsspiel achten müssen. In Christian Wörns und Arne Friedrich hat er zwei relativ schnelle Spieler neben sich, die ihren Gegenspielern den Ball auch mal im Laufduell abjagen können. Der größte Problemfall im deutschen Defensivgebilde ist Carsten Ramelow. Der Leverkusener fand zuletzt keine Bindung zu seinen Nebenleuten und ist leicht angeschlagen. Nur wenn er gedanklich an Tempo zulegt, kann er seine strategischen Fähigkeiten einbringen und Angriffe der Schotten rechtzeitig erkennen und unterbinden. Sobald er den Ball erkämpft hat, müssen sich ihm zwei, drei Mitspieler als Anspielstationen anbieten, um so genannte leichte Ballverluste zu vermeiden.

„Fehler werden und dürfen passieren“, sagt Völler. Wichtig sei, dass die Spieler mit einem gesunden Selbstvertrauen ins Spiel gehen. „Das muss man mit dem Körper ausdrücken, ohne aber überheblich zu werden.“ Und nicht zuletzt sollte ein Schuss Ästhetik das deutsche Spiel bereichern. Bevor er sich auf den Weg zurück zur Mannschaft macht, hält Völler noch ein Plädoyer in Sachen Leidenschaft. „Um solche Spiele in einer solchen Atmosphäre für das eigene Land bestreiten zu dürfen, sind wir doch alle Fußballprofis geworden“, sagt der Teamchef. Und: „Gegen Schottland könnte mancher Spieler kapieren, warum er es verdient hat, geboren worden zu sein.“

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