zum Hauptinhalt

Sport: Kühle Brillanz

Gegen Tunesien trat Argentinien wie ein kommender Weltmeister auf: selbstsicher, aber ohne Arroganz

Es war warm am frühen Mittwochabend in Köln, so um die 25 Grad, und die tunesischen Ersatzspieler eilten zur Halbzeitpause des ersten Confed-Cup-Spiels in die kühle Kabine. Zurück auf dem Rasen blieben sämtliche argentinischen Reservisten, genau elf, und die vertrieben sich die Zeit mit einer kleinen Trainingseinheit. Scharfe Kurzpässe, Torschüsse, Gymnastik. Konzentrierte Arbeit, könnte ja sein, dass der Trainer zuguckt.

Dazu muss man wissen, dass diese elf Argentinier gewissermaßen der Ersatz vom Ersatz sind. Die zurzeit wohl beste Mannschaft der Welt ist nicht mit der besten Besetzung nach Deutschland gereist. Stürmer Hernan Crespo vom AC Mailand, der vor einer Woche zwei Tore zum rauschenden 3:1-Sieg in der WM-Qualifikation über Brasilien beitrug, darf sich nach einer schweren Saison beim AC Mailand ebenso ausruhen wie Kily Gonzalez (Inter Mailand) und Roberto Ayala (FC Valencia). Torhüter Roberto Abbondanzieri spielt mit den Boca Juniors noch in der argentinischen Liga wie auch Lucho Gonzalez und Javier Mascherano von River Plate, die gegen Brasilien ebenfalls dabei waren.

Hat ihre Abwesenheit den Argentiniern beim 2:1 über Tunesien Schaden zugefügt? Crespo hätte vielleicht das eine oder andere Tor mehr gemacht, Abbondanzieri wäre wohl nicht so orientierungslos durch den Strafraum geirrt wie sein Vertreter German Lux, der den Tunesiern zu zwei Foulelfmetern verhalf. Doch als Mannschaft strahlte auch die zweite Wahl jene kühle Brillanz aus, die den Unterschied macht zwischen Selbstbewusstsein und Arroganz. Die Konkurrenz dürfte mit Erschrecken festgestellt haben, wie groß das Reservoir an begnadeten Fußballspielern in Argentinien ist.

Es sind Luxusprobleme, mit denen Trainer José Pekerman sich in der langfristigen Vorbereitung für die WM 2006 herumzuschlagen hat. Wen soll er neben Crespo in den Angriff stellen – den kleinen Javier Saviola, Torschützenkönig beim AS Monaco? Carlos Tevez, den vor ein paar Monaten noch die ganze Welt jagte, bevor ihn russisches Geld zum SC Corinthians nach Brasilien lockte? Oder vielleicht doch Luciano Galletti, den Dribbelkünstler aus Saragossa?

So ähnlich sieht das in allen Mannschaftsteilen aus. Die Innenverteidiger Gabriel Heinze (Manchester United) und Fabricio Coloccini (La Coruña) hätten mit ihren breiten Kreuzen auch Karriere als Türsteher gemacht, wenn sie nicht so wunderbar mit dem Ball umgehen könnten. Es gibt in dieser argentinischen Mannschaft keine willkürlichen Befreiungsschläge, jede Abwehraktion ist zugleich Spieleröffnung.

Umgekehrt spielt diese Mannschaft auch nicht für die Galerie. Wird der Ball einmal mit der Sohle gestreichelt, dann nur, weil es die Spielsituation erfordert. Der Meister dieser unauffälligen Brillanz ist Juan Riquelme, der dem FC Barcelona wohl nicht spektakulär genug spielte, sonst hätte er ihn nicht zum Ligarivalen Villarreal ziehen lassen. Alles im argentinischen Spiel läuft über Riquelme, der mit seinem hochmütigen Gang ein wenig an Johan Cruyff erinnert. Er spielt die zauberhaften Kurzpässe mit der selben Sicherheit wie die Flügelwechsel über 40, 50 Meter.

Riquelme ist, neben Crespo, der einzige, der für die WM gesetzt ist. Der Rest muss sich beweisen, in jedem Spiel, beim Confed-Cup, beim Training in der Halbzeitpause. Am Mittwochabend, in der Hitze des Stadions zu Köln, hat Pekerman zur zweiten Hälfte übrigens keine einzige Auswechslung vorgenommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false