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Es geht noch. Die Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen hat erst seit kurzem wieder das Gefühl, schwimmen zu können. Foto: Camera4

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Sport: Küsse und Visionen

15 Monate lang war Britta Steffen krank oder verletzt. Heute kehrt sie beim Schwimm-Weltcup in Berlin zurück

Berlin - Britta Steffen beugte sich nach rechts, ihre länger gewordenen blonden Haare hingen wie ein Vorhang vor ihrem Gesicht. Man konnte nicht erkennen, was sie mit Paul Biedermann tuschelte. Egal, das Bild zählte, Biedermann und Steffen ganz nah, harmonisch im Gespräch, das Traumpaar des deutschen Schwimmens, ein Bild wie ein Werbefoto für lässige Zweisamkeit. Dutzende Kameras klickten, so lieben es die Fotografen. Die beiden Starschwimmer auf dem Podium bei einer Pressekonferenz, das war eine Mischung aus netter Inszenierung und ungekünstelter Banalität. Das Paar Biedermann/Steffen, Doppel-Weltmeister und Doppel- Olympiasiegerin, da ist noch eine Marktlücke für Sponsoren zu erschließen. „Wir sind noch zu haben“, verkündete Steffen.

Sportliche Highlights werden sie beim Weltcup an diesem Wochenende nicht liefern können. Erstens sind die schnellen Hightech-Anzüge verboten, zweitens ist für Biedermann der Wettkampf am Samstag und Sonntag (Halle an der Landsberger Allee, Finals jeweils ab 15.30 Uhr), Teil der Vorbereitung auf spätere Höhepunkte. In dieser Saison finden ja noch Welt- und Europameisterschaften statt.

Steffen gibt in Berlin ihr Comeback. So wird es von allen möglichen Seiten verbreitet. Comeback – wenn sie das schon hört. Sie war monatelang krank, hatte vor 15 Monaten ihren letzten Wettkampf und immer gesagt, dass sie nach ihren Erkältungen und Schulterproblemen wieder ins Wasser gehen wird. „Man muss den Leuten wohl etwas bieten, damit es spannend klingt“, sagte sie leicht verärgert. Niemand darf erwarten, dass Britta Steffen über 50 und 100 Meter Freistil vorneweg durchs Wasser pflügen wird. Sie trainiert seit gerade mal vier Wochen wieder hart, sie erlebte erst am Donnerstag eine Trainingseinheit, „in der ich fühlte, dass ich wieder schwimmen kann“.

Nein, zu großer Leistungsdruck ist nicht das Hauptproblem der Britta Steffen. Ihr Problem zeigt sich in der Art, wie sie sich, schleichend, aber zunehmend stärker angespannt, rechtfertigen muss. Oder glaubt, es zu müssen. Ihr ist zugetragen worden, dass es Leute gab, die ihr nicht glaubten, dass sie wieder ernsthaft Wettkämpfe bestreiten werde: „Da hieß es, das machst du doch nur, um Sponsoren zu behalten, du schwimmst doch nicht mehr ernsthaft.“ Und weil sie „eher zart besaitet“ ist, „habe ich mir das Ganze schon zu Herzen genommen“. Deutlicher gesagt: „Es hat mich angenervt.“ Eine Frage der Ehre, es ging um ihre Glaubwürdigkeit. Die soll bitte niemand in Zweifel ziehen.

Also redete sie sich bei ihrer Rechtfertigung peu à peu ins Philosophische hoch. „Das Leben ist endlich, deshalb muss man es genießen. In fünf Jahren habe ich diese Chancen nicht mehr.“ Von diesen Punkt war es nicht weit zu den „Visionen“, die sie mit ihrem Trainer Norbert Warnatzsch hat. Die Visionen signalisieren ihr, dass sie noch „zwei, drei Jahre sehr gut schwimmen kann“. Mit jedem Satz wurde klarer, wie tief Britta Steffen das Gerede getroffen hat. Es verstärkte ihre aggressive Grundstimmung, die sie spürte, weil sie nicht oder nur wenig trainieren konnte.

Es war ein kurzer Blick in ihr Gefühlsleben, sie hatte sich bald wieder im Griff. Irgendwann beugte sich Paul Biedermann zu ihr, das nächste schöne Bild für Fotografen. Diesmal hingen keine Haare vor ihrem Gesicht. Diesmal konnte jeder sehen, dass er ihr einen Kuss gab.

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