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Ich find mich stark! David Storl überzeugte in der Qualifikation von London bei seinem Auftritt.

© Andrej Isakovic/AFP

Kugelstoßen bei der Leichtathletik-WM: Findet David Storl in London den Zielkorridor?

Kugelstoßer David Storl will mit Hilfe des umstrittenen Mentaltrainers Matthias Große wieder erfolgreich werden.

Er soll doch jetzt endlich richtig böse sein im Wettkampf. Das hatte ihm sein neuer Mentaltrainer eingeflüstert. Doch einen finsteren Eindruck hinterließ Kugelstoßer David Storl auch am Sonnabend nicht. Das war aber auch völlig egal. Die Weite stimmte trotzdem. Der Arbeitstag bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London war schnell zu Ende für den 27-Jährigen. Und das war sehr gut für den Weltmeister von 2011 und 2013. Gleich bei seinem ersten Stoß kam Storl auf eine Weite von 21,41 Metern, die zweitbeste Weite aller Werfer in der Qualifikation. Nur der Neuseeländer Tomas Walsh mit 22,14 Meter war besser. Im Finale am Sonntag (21.35 Uhr) hat Storl gute Chancen auf eine Medaille. „Das tut gut. Das war so ein kontrollierter Stoß. Ich bin zufrieden“, sagte er ganz lieb.

Das wird auch Matthias Große gerne gehört haben. Er nämlich ist der besagte neue Mentaltrainer von Storl. Als dies vor wenigen Wochen bekannt wurde, staunte der eine oder andere doch sehr über dieses neue Team. Zumindest in der Berliner Sportszene ist der Name Matthias Große vielen ein Begriff. Große ist der Lebensgefährte von Claudia Pechstein und hat nicht den allerbesten Leumund. In der Vergangenheit war der Mann hin und wieder dadurch aufgefallen, dass er Kritik an seiner Claudia persönlich nimmt.

Mancher Journalist fühlte sich bedroht vom ruppigen Auftreten des früheren „Kraftsport-Meisters in der Sowjetunion“, wie Große gerne immer wieder anmerkt. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb einmal, dass sich ein wütender Große anhöre, „als hätte ein Kampfhund einen Einbrecher entdeckt“, „Die „Zeit“ beschrieb ihn gar als „Kampfdrohne.“ Der Kampfhund also soll jetzt den lieben Kugelstoßer David Storl bissiger und besser machen. Vor zweieinhalb Monaten haben sich die beiden Sportskameraden in der Arena auf Schalke getroffen, wie Große wenige Tage vor der Leichtathletik-WM bei einem bizarren Auftritt in Kienbaum erzählte.

Storl war dort gerade dabei zu erklären, warum das vergangene Jahr so schwer für ihn gewesen sei und dass Rio mit seinem siebten Platz der negative Höhepunkt gewesen sei, als Große ihn unterbrach. „Du warst nicht da. Wir haben doch gesagt: Du warst gar nicht da.“ Man muss kein Psychologe sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass Verdrängung – auch im Sport – nicht der Königsweg sein kann, um künftig bessere Leistungen zu erzielen. Er sei kein Psychologe, sagte Große in Kienbaum, aber er sei eben Kraftsport-Meister in der Sowjetunion geworden und Betreuer einer der erfolgreichsten Eisschnellläuferinnen.

Im Training erzielt Storl offenbar bessere Leistungen als im Wettkampf

Seine Tipps für den strauchelnden Kugelstoß-Weltmeister Storl: „Er muss böser, klarer und härter werden.“ Einmal, erzählte Große, habe Storl seinem Gegner noch während des Wettkampfs gratuliert. „Ich dachte: ‚Dicker, das kannst Du doch nicht machen!‘“ Vor allem aber dürfe sich Storl nicht mehr unrealistische Ziele setzen. In Kienbaum benutzte Große dafür stets den Begriff Zielkorridore. „David braucht eine Struktur. Unsere realistischen Zielvorgaben helfen, sie geben Sicherheit. Er bekommt jetzt keine Panik mehr, weil wir diese Korridore haben“, sagte Große. „Denn wenn du eine Weite nicht schaffst, die du haben willst, die aber nicht realistisch ist, dann kannst du daran zerbrechen“, sagte Große.

Was Storl zuletzt wohl mental zu schaffen machte, war zum einen das Problem, dass er nicht mehr an seine Leistungen in der Vergangenheit herankam. Zum anderen erzielte er im Training offenbar regelmäßig viel bessere Leistungen als im Wettkampf. „Sie würden gar nicht glauben, was David für Trainingsresultate bringt. Deshalb sagen wir ihnen das gar nicht“, sagte Große in Kienbaum.

Wer es nicht gut mit Storl meint, kommt vielleicht zu der Auffassung, dass der Mann mit der Hinzuziehung Großes als Einflüsterer nun endgültig an seinem Tiefpunkt angekommen ist. Storl hatte 2011 im südkoreanischen Daegu die Weltmeisterschaft gewonnen, mit gerade einmal 21 Jahren. In diesem Alter hat das bisher noch niemand geschafft. Zwei Jahre später verteidigte er seinen Titel in Moskau. Als dann im vergangenen Jahr der erste große Karriereknick da war, suchte Storl auch professionelle Hilfe im mentalen Bereich. „Ich war bei einer Sportpsychologin, das war alles sehr theoretisch. Ich bin einfach keiner, der drei Stunden über irgendwelche Probleme reden muss“, sagt er trocken.

Das klingt wiederum so, als könnte Matthias Große doch der richtige Mann für Storl sein. Der erste Versuch in der Qualifikation von London war schon einmal sehr vielversprechend. Man kann davon ausgehen, dass er im Zielkorridor lag. In diesem liegt auch eine Medaille, wie Große in Kienbaum erklärte. „Wir wollen eine Medaille holen“, erklärte er, blickte zu Storl und sagte noch einmal: "Das haben wir jetzt geklärt, dass wir die holen werden." Storl schaute zurück und sagte: „Ja, das haben wir geklärt.“

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