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Die Rente kann warten. Marianne Buggenhagen wechselt lieber die Disziplin, als mit dem Sport aufzuhören.

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Update

Kugelstoßerin Marianne Buggenhagen: Immer immer weiter

Die Kugelstoßerin Marianne Buggenhagen denkt mit 59 Jahren nicht ans Aufhören – beibringen kann man ihr nichts mehr. Nun hat sie bei den Paralympics in London Silber geholt.

Geschlecht: weiblich. Startklasse: F55. Alter: 59. So steht es im internen Mediencomputersystem der Paralympics in London geschrieben. Gemeint ist Marianne Buggenhagen, geboren am 26. Mai 1953 in Ueckermünde. Eine von 150 Athleten in der deutschen Paralympics-Mannschaft. Am Samstagabend legen andere in ihrem Alter gemütlich die Füße vorm Fernseher hoch. Die Leichtathletin war dagegen beim Wettkampf im Fernsehen zu sehen, als sie bei den Paralympics ihren Auftritt im Kugelstoßen hatte - und holte die Silbermedaille. Nur der Chinesin Liwan Yang musste sie sich geschlagen geben.

„Ich mache jetzt Schluss“, hat sie nach den Spielen in Peking 2008 gesagt. Aber nicht, weil sie wollte, sondern weil sie sich wegen einer Schulteroperation dazu gezwungen sah. Dann hat sie sich doch schneller erholt als gedacht. „Der Sport tut mir einfach körperlich gut, und ich bin erfolgreich, warum sollte ich also aufhören?“, sagte die Sportlerin vom SC Berlin.

Eigentlich war Diskus ihre Lieblingsdisziplin, aber im Paralympischen Sport müssen die Athleten flexibel sein. Diskus wurde für London aus dem Programm gestrichen, warum, weiß niemand so genau. Diesmal also Kugellstoßen. Neun Goldmedaillen hat die Grande Dame des deutschen Behindertenleistungssports bei fünf Paralympischen Spielen geholt, sie hält drei Weltrekorde, zudem hat sie ungezählte Weltmeister-, Europameister- und mehr als 120 nationale Titel gewonnen.

Dabei wollte sie diesmal wirklich hinschmeißen. Aber nur kurz. Ihr Trainer Bernd Mädler und die Sozialarbeiterin in einer Berliner Klinik für Querschnittsgelähmte trennten sich wenige Woche vor den Spielen in London. Wurftrainer Ralf Otto, deutscher Leichtathletikchef und Klassifizierer, gab ihr wieder die Kugel in die Hand. „Beibringen kann ich der nichts mehr, Kugelstoßen ist ja ihre zweitbeste Disziplin“, sagt Otto, „da geht es jetzt nur um Psychologie, um Motivation.“ Ralf Otto hat Marianne Buggenhagen mit Ilke Wylluda zusammengebracht, die beiden trainieren jetzt zusammen.

Werfer könnten doch alle nicht aufhören, sagt Otto: Raimund Hecht, Boris Henry, Franka Dietzsch. Und warum denn auch, wenn es noch läuft, fragt er. Gerd Schönfelder sieht das anders. Der mehrfache Paralympics- und Worldcup-Sieger steht in London am Rande des Rennrollstuhlwettkampfes und ist als früherer Skifahrer ein bisschen neidisch auf die Kulisse. 2,7 Millionen verkaufte Tickets, bei ihm schauten ein paar Tausend an der Piste live zu. „Ich wollte mit Erfolgen aufhören“, sagt der 41-Jährige, „und als die vier vorn beim Alter erreicht war, wollte ich auch Zeit für anderes haben.“ Die Familie, Extrem-Eistouren bei minus 50 Grad, das sind jetzt die neuen Aufgaben für Schönfelder, der jetzt Trainer ist.

„In einigen Sportarten wird man mit dem Alter ja sogar besser“, sagen die Radfahrerinnen Denise Schindler, Henrike Handrup und Ellen Heiny. Schützen beispielsweise würden ruhiger. Beim Radfahren steige etwa ab 27 Jahren die Ausdauerfähigkeit, sagen die drei Endzwanziger.

Marianne Buggenhagen hat Kraft wie ein Bär. Wenn sie, die seit einem OP-Fehler im Alter von 23 Jahren im Rollstuhl sitzt, mal aufrecht steht, scheint es, als sei sie zwei Meter groß; sie hat eine Armspannweite von 2,20 Meter. Sie wird es nicht mehr so leicht haben, in den zusammengelegten Kugelstoßklassen im Vorbeirollen zu gewinnen. Aber sie wird auch nach London nicht aufhören, ist der neue Trainer überzeugt. In Rio wäre sie dann 63.

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