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Sport: Kulturschock in Schanghai

Die Formel-1-Piloten werden beim Grand Prix in China in vielerlei Hinsicht überrascht

Die Anlage ist gigantisch, das Fahrerlager mit seinen Teamhäusern zwischen Gärten, Kanälen und Brücken so groß, dass Nick Heidfeld sich ganz schnell einen kleinen Roller besorgte. Strecke und Umfeld der Formel 1 in China entsprechen dem Gigantismus von Schanghai, der Mega-Stadt, die sich als das Metropolis des 21. Jahrhunderts versteht. Nicht immer zu Recht. Denn in Schanghai funktioniert vieles nicht so, wie es in einer Metropole funktionieren sollte. Am internationalen Flughafen der Stadt mit den über neun Millionen Einwohnern einen Taxifahrer mit Kenntnissen der englischen Sprache zu finden ist quasi unmöglich. Kein Wunder also, dass auch bei einer Veranstaltung wie dem Grand Prix der Formel 1 nicht alles auf höchstem Niveau ist: Zwar ist seit 2004 von Jahr zu Jahr schon vieles besser geworden, aber der verwöhnte Europäer findet immer noch genügend Anlass zum Staunen.

Selbst die Fahrer wie Sebastian Vettel oder Michael Ammermüller – die beiden Deutschen starten erstmals in China – erlebten bei ihren Spaziergängen in der City in den Tagen vor dem Rennen am heutigen Sonntag einen leichten Kulturschock angesichts des Trubels und des starken Autoverkehrs mit seinen ständigen Hupkonzerten, der selbst Formel-1-Piloten erschrecken kann. „Ich bin ganz froh, dass ich hier gar nicht Auto fahren darf”, sagte etwa der Mönchengladbacher Nick Heidfeld. Autofahren darf der Pilot vom BMW-Sauber-Team in Schanghai nur auf der Rennstrecke: Ausländer müssen in China eine zusätzliche Führerscheinprüfung ablegen, um hier ein Auto bewegen zu dürfen. Heidfeld ist daran nicht interessiert. „Ich glaube, hier durch die Stadt zu fahren ist gefährlicher als jede Rennstrecke“, sagt er.

Sie müssen sich eben an so einiges gewöhnen in China, die europäischen und amerikanischen Formel-1-Piloten. Etwa an die für sie ungewöhnlichen Fragen der Journalisten. Ein europäischer Journalist würde Rekordweltmeister Michael Schumacher auf einer Pressekonferenz kaum fragen, ob es nicht außergewöhnlich sei, dass Schumacher vier Tage vor dem Rennen erst gegen elf Uhr abends in sein Hotel zurückgekommen sei. Schumacher war so verblüfft, dass er zweimal fragte, ob er denn die Frage auch richtig verstanden habe. Der Rekordweltmeister sagte dann nur trocken, seiner Ansicht nach sei zwischen elf und zwölf Uhr abends nicht besonders spät – erst recht nicht vier Tage vor dem Rennen.

Dass sich Schumacher in Schanghai mit ungewohnten und ungewohnt vielen Fragen konfrontiert sieht, mag auch an seiner erstaunlichen Popularität in China liegen. Die Begeisterung für den Ferrari-Piloten ist dort mindestens so groß wie an einer deutschen oder italienischen Strecke. Für die Chinesen – und vor allem die Chinesinnen – sind Formel 1 und Michael Schumacher quasi Synonyme. Als am Samstag im Qualifying die Gefahr bestand, dass Schumacher es nicht in die Top Ten des Qualifyings schaffen könnte, schien für viele der jungen und weiblichen chinesischen Formel-1-Fans auf den Tribünen eine Welt zusammenzubrechen – so sehr kreischten sie. Umso größer war dann am Ende die Erleichterung bei den Fans, als es doch noch wenigstens zum sechsten Startplatz für den Deutschen reichte (siehe Kasten rechts).

Die Begeisterung für Michael Schumacher müssen sich die meisten Chinesischen Formel-1-Fans übrigens nicht viel kosten lassen. Bei einer Umfrage 2005 zeigte sich, dass von 100 Besuchern 98 von der Partei ausgegebene Freikarten hatten, beziehungsweise diese Freikarten für Dumpingpreise auf dem Schwarzmarkt gekauft hatten. Vieles ist eben für den Europäer in Schanghai erstaunlich – auch bei einem Grand Prix der Formel 1.

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