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Sport: „Lachen hilft gegen den Abstieg“

Pal Dardai über Kopf- und Fußprobleme bei Hertha BSC

Herr Dardai, denken Sie an die Zweite FußballBundesliga?

Ab und zu schon. Ich habe vor sieben Jahren selbst mit Hertha in dieser Liga gespielt, und ich denke nicht besonders gern daran zurück. Ich war damals neu in Berlin, und ich dachte: was für eine große Stadt! Aber zu den Spielen ins Olympiastadion sind nur ein paar tausend Zuschauer gekommen. Das war keine schöne Zeit.

Ein Motivationsproblem dürften Sie demnach im Abstiegskampf nicht haben.

Ich muss nicht noch einmal in dieser Liga spielen. Das wäre für den Verein schlecht, für all die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle, für mich. Ein Abstieg sieht nicht gut aus im Lebenslauf. So was bleibt für immer. Auch bei uns Profis.

Seit wann denken Sie an den Abstieg?

Im Herbst ging es los. Wir spielten in Rostock, wir mussten gewinnen, allein schon für unseren damaligen Trainer Huub Stevens. Seitdem lässt uns das nicht mehr los. Trotzdem dürfen Sie davon ausgehen, dass die Zweite Liga nicht Thema Nummer eins ist in der Kabine. Auch wir spielen lieber gegen die Bayern.

Sie hätten sogar mal für die Bayern spielen können.

Ich hatte mal ein Angebot, das stimmt. Ich habe mich nie dazu geäußert, das haben die Manager getan. Dieter Hoeneß und sein Bruder Uli haben das damals an die Öffentlichkeit gebracht. Der FC Bayern war früher mein Lieblingsverein, dort zu spielen ein Traum. Aber mein Herz sagte: Berlin.

Was sagt Ihr Herz jetzt? Würde es auch in der Zweiten Liga für Hertha schlagen?

Das ist kein Thema. Wir bleiben drin.

Wie lange müssen Sie noch zittern?

Mit etwas Pech entscheiden die letzten Saisonspiele gegen Kaiserslautern, 1860 München und Köln. Mit denen haben wir noch eine Rechnung offen. Und jetzt lassen Sie bitte das Thema Zweite Liga!

Dann erklären Sie uns bitte, warum Hertha sich so hartnäckig in den unteren Tabellenregionen hält.

Ich habe keine Erklärung. Es ist ja nicht so, dass wir früher keine Fehler gemacht haben. Aber dann hat sie ein anderer ausgebügelt. Heute fallen die Tore einfach, und es will nicht aufhören.

Das lässt nichts Gutes erwarten für das Spiel am Sonntag gegen Hannover.

Gucken Sie sich doch mal die Tabelle der Rückrunde an, da sehen wir mit zwei Siegen und zwei Niederlagen gar nicht so schlecht aus.

Aber die 1:2-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt war…

… ein schlimmer Rückschlag. Ich habe schon nach fünf Minuten gespürt, dass irgendwas nicht stimmt. Aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter.

Was war früher besser bei Hertha?

Wir hatten eine andere Mannschaft mit anderen Spielern, mit denen wir viel über die Flügel gespielt haben. Das geht heute nicht mehr. Stellen Sie sich mal vor, wir hätten einen Sebastian Deisler auf der rechten Seite, und auf der linken einen Michael Hartmann in seiner alten Form. Da würden von jeder Seite 20 Flanken in den Strafraum segeln. Fredi Bobic würde sich freuen. Wir haben damals einen ganz anderen Fußball gespielt. Mit mehr Kraft. Heute haben wir Techniker. Aber ich bin dennoch der Meinung, dass unser Manager Dieter Hoeneß im Sommer richtig gut eingekauft hat.

Sie haben damals getönt: „Ich glaube, in diesem Jahr wird etwas Schönes passieren.“

Ja, und damit meinte ich natürlich nicht den Abstieg. Ich hatte gedacht, wir sind so weit, wir sind so gut. Aber wir haben uns nicht gefunden. Ich bin auch mit mir unzufrieden. Ich lebe von der Dynamik, von der Kraft. Aber ich war angeschlagen und konnte erst in der Winterpause operiert werden.

Sie haben sich früher mehr ins Offensivspiel eingeschaltet.

Meine Aufgabe ist heute eine andere. Ich muss für Marcelinho rennen, ich muss ihm den Rücken freihalten. Auch Marcelinho steckt in einer Krise. Wir haben Löcher zwischen der Offensive und mir. Früher haben wir dort unsere Zweikämpfe geführt, heute ist da ein großes Loch.

Dann haben Sie ein taktisches Problem.

Das besprechen Sie bitte mit dem Trainer.

Hat die Mannschaft ein Kopf- oder ein Fußproblem?

Ein Kopfproblem, ganz klar. Es geht um die Einstellung. Wir haben am Freitag, fünf Tage nach der Niederlage gegen Frankfurt, das erste Mal wieder gelacht im Training. So lange hätte das nicht dauern dürfen. Normalerweise hakst du als Spieler eine Niederlage nach ein, zwei Tagen ab. Bei uns dauert das viel länger. Natürlich würde das seltsam wirken, wenn wir uns in dieser Situation vor Lachen ausschütten. Aber das kann sehr hilfreich sein, ich habe das selbst einmal erlebt.

Bei Hertha?

Nein, das war zu Hause in Ungarn, als ich noch für meinen Heimatklub Pecs gespielt habe. Ich war 18, und wir steckten mitten im Abstiegskampf. Es war so eng wie jetzt mit Hertha, und wir mussten das letzte Saisonspiel unbedingt gewinnen. Da kam vor dem Anpfiff unser Manager in die Kabine, und er hat einen Liliputaner mitgebracht, den ein paar von uns aus dem Zirkus kannten. Und der fing in dieser angespannten Situation auf einmal an, Witze zu erzählen, völligen Blödsinn, zehn Minuten lang. Wir haben geheult vor Lachen.

Wie hat der Gegner reagiert?

Die Spieler standen irritiert im Kabinengang, als wir laut lachend aus der Kabine kamen. Wie können die nur so locker sein? Wir haben 3:0 gewonnen und die Klasse gehalten.

Das Gespräch führten André Görke und Sven Goldmann.

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