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Mesut Özil entschied sich für Deutschland.

© dpa

Länderspiel gegen die Türkei: Vergleich zweier Karrieren: Mesut Özil

Am Freitag treffen die beiden Freunde Mesut Özil und Nuri Sahin in der EM-Qualifikation in Berlin aufeinander. Die Söhne türkischer Eltern spielen beide herausragenden Fußball. Im Gegensatz zu Sahin entschied sich Mesut Özil für die deutsche Nationalmannschaft.

Seine großen Augen schauen immer noch ein wenig ängstlich, wenn er Fragen beantworten soll. Mesut Özil ist zwar nun schon ein paar Jahre im schlagzeilenträchtigen Profifußball dabei und hat es bis zu Real Madrid gebracht, dem bekanntesten Klub der Welt. Doch Gefallen an den Dingen, die außerhalb des Spielfelds stattfinden, findet der 21-Jährige offenbar nicht. Wenn er Rede und Antwort steht, behilft sich Özil häufig mit Hinweisen auf das Team. Er vermeidet dabei möglichst, dem Fragesteller in die Augen zu schauen. Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Özil den Ball auf dem Rasen behandelt, scheint dann verflogen. Das hat sich in den Jahren nicht verändert. Doch auch wenn er die Aufmerksamkeit eher scheu erträgt und ihn eine fast geheimnisvolle Aura umgibt: Dieser schmächtige Kerl, in dritter Generation Sohn einer türkischen Einwandererfamilie, die sich einst im Multi-Kulti-Stadtteil Gelsenkirchen-Bulmke niederließ, hat es zu was gebracht.

Angefangen mit dem Kicken hatte Özil als Junge auf einem eingezäunten Bolzplatz, den die Kinder „Affenkäfig“ nannten, später kam er über den Amateurklub DJK Westfalia 04 und über Rot-Weiss Essen zum FC Schalke 04. „Er war sicher bei uns kein Wortführer, er hat sich eingeordnet, ist ein Teamplayer. Aber er ist durchaus selbstbewusst und weiß, was er kann“, sagt Norbert Elgert. Der Trainer der Schalker U 19 hat mit dem überragenden Özil 2006 die deutsche Meisterschaft gewonnen und dem Deutsch-Türken das Rüstzeug für den Profifußball mit auf den Weg gegeben.

„Schon damals hatte er mir gesagt, dass er irgendwann in Spanien spielen will“, erinnert sich Elgert. Diesen Weg hat er zielstrebig verfolgt. Nach zweieinhalb Jahren und einigen Querelen in Schalke mit dem damaligen Manager Andreas Müller, veröffentlichten Vertragsangeboten im Boulevard und der Brandmarkung als „Gierig-Profi“ verließ er mit 19 seine Heimatstadt und setzte seine Karriere in Bremen fort, wo er zum Leistungsträger heranreifte, ohne seine Zurückhaltung zu verlieren. „Der Großteil der Mannschaft ist immer noch da, aber es fehlt Mesut Özil. Er war ein toller Spielmacher“, sagte etwa Werders Angreifer Hugo Almeida vor wenigen Tagen.

Özil ist durch seinen sportlichen Weg und seinen Freigeist auf dem Feld Vorbild für viele Talente geworden. Aber er steht auch für die zuletzt allzusehr in den Hintergrund gerückten Erfolgsmodelle der Integrationsarbeit in diesem Land. Sein Werdegang ist eine besonders geglückte Eingliederung, die parallel zu den sich ausbreitenden Parallelgesellschaften vonstatten ging, die Deutschland derzeit so intensiv beschäftigen. „Ich fühle mich als Deutscher“, sagt Özil. Er hat sich für die deutsche Nationalmannschaft entschieden, auch wenn er dafür aus der Türkei vielfach Unverständnis erntete. Der ehemalige Nationaltrainer der Türkei, Fatih Terim, hatte sich bemüht, den eleganten Spielmacher vom Einsatz für die Heimat seiner Vorfahren zu überzeugen. Özil sprach auch in diesem Fall wenig, ließ den Werber lange im Unklaren. Bis sich Bundestrainer Löw meldete. „Ich respektiere das, kann es sogar verstehen“, sagte Terim später, „schließlich ist Mesut hier geboren, hat seine Familie und Freunde, alles hier.“ Özil singt den Text der deutschen Nationalhymne nicht mit, betet zu Allah – und ist damit für die Muslime in Deutschland eine Art Brücke zwischen den Kulturen.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales in Nordrhein-Westfalen, sieht in Özil ein Beispiel für „die Möglichkeiten, die junge Leute mit Migrationshintergrund hier haben. Mesut Özil hat ein klares Zeichen für Möglichkeiten des Aufstiegs gesetzt, auch wenn nicht jeder Fußballspieler werden kann. Bei den 17- bis 18-Jährigen ist er so bekannt wie die Frau Bundeskanzlerin.“ Auch in Madrid macht sich Özil kaum öffentlich bemerkbar. Vielmehr reden andere über ihn. Auf dem Platz macht er seine Sache bisher sehr ordentlich, am Sonntag erzielte er beim 6:1 gegen La Coruña sein erstes Tor für Real.

Und mit seinen Teamkollegen, die aus aller Herren Länder kommen, soll er sich auch sehr gut verstehen.

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