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McClaren

© AFP

Länderspiel: Nationaltrainer ohne Nation

Englands National-Coach Steve McClaren hat keine Spieler zur Verfügung und die Öffentlichkeit gegen sich.

Terry Venables steht kurz vor dem Rentenalter, aber mit der weißen Mähne und dem braun gebrannten Gesicht macht er auf dem Trainingsplatz immer noch eine gute Figur. Er hat England trainiert und den FC Barcelona, seit einem Jahr dient er seinem Land noch mal als Kotrainer. Alle mögen Venables, auch David Beckham, der ihn im englischen Trainingsquartier begrüßt wie seinen Patenonkel. Beckham deutet eine Verbeugung an, mit beiden Händen ergreift er die Hand des Veteranen, dann trabt er weiter und nickt Venables’ Nachbarn kurz zu. Der Nachbar ist der Chef. Steve McClaren, seit einem Jahr Trainer der englischen Nationalmannschaft, die heute gegen Deutschland spielt.

Wahrscheinlich hatten McClaren und Beckham schon vorher miteinander gesprochen, vielleicht aber mögen sie sich einfach nicht. Beckham hat nicht vergessen, dass ihn der Trainer vor einem Jahr aussortierte, um ein Signal vermeintlicher Stärke zu setzen. McClaren hat Beckham im Mai zurückgeholt – unter Druck des Londoner Boulevards. In den vergangenen 13 Monaten hat der Teammanager allzu oft erfahren, wie gering sein Spielraum ist. Die Premier League gibt ihm die Eckdaten vor. In die Woche vor dem Spiel gegen Deutschland presste die Liga gleich drei Spieltage. McClaren sagt: „Allen schwirren die drei Spiele der letzten Woche durch den Kopf, jetzt müssen wir erst mal wieder Ruhe schaffen.“ Wenn das nur so einfach wäre.

McClaren ist 46 Jahre alt, ein freundlicher Mann, er spricht langsam und leise. Mit seiner leicht geröteten Gesichtsfarbe und dem Haarbüschel auf der kahlen Stirn könnte er in jeden Pub gehen, ohne dort sofort als englischer Nationaltrainer aufzufallen. Gegen Deutschland muss er heute Abend eine Mannschaft aufbieten, die so noch nie gespielt hat und wohl auch nie wieder spielen wird. Ohne Wayne Rooney, Steven Gerrard, Owen Hargreaves, Aaron Lennon, Wayne Bridge, Gary Neville, Ledley King, Sol Campbell, Michael Dawson und Darren Bent. Als bislang letzter sagte Stürmer Andrew Johnson vom FC Everton wegen einer Knieverletzung ab. Na und, sagen die Klubbosse, ist doch nur ein Freundschaftsspiel. Von wegen, kontert McClaren. „Gegen Deutschland gibt es für England keine Freundschaftsspiele.“ Und sollte England heute verlieren, werden die Meinungsmacher in den Blättern nicht den Klubs oder den Spielern die Schuld geben, sondern ihm. Steve McClaren. Dem Trainer, den eigentlich keiner gewollt hat.

Seine Inthronisierung stand von Beginn an unter einem schlechten Zeichen. Eigentlich wollte der englische Fußballverband (FA) gar keinen neuen Trainer, sondern Sven-Göran Eriksson behalten. Erst als die Kapriolen um den eigenwilligen Schweden im Frühjahr 2006 immer wilder wurden, rang sich die FA zu einer Trennung durch. Der neue Mann sollte erst nach der WM in Deutschland anfangen, aber unbedingt schon vorher ernannt werden. Warum eigentlich? Die englischen Zeitungen veranstalteten ein munteres Ratespielchen und präsentierten jeden Tag einen neuen Namen. Der Brasilianer Luiz Felipe Scolari sagte indigniert ab, ebenso der Franzose Arsene Wenger, der sich nicht von seiner Lebensaufgabe beim FC Arsenal verabschieden mochte. Es war ein bisschen wie vor drei Jahren in Deutschland, als nach der missratenen EM in Portugal eine Trainerfindungskommission zur Erheiterung des ganzen Landes einen Nachfolger für Rudi Völler suchte. Die Deutschen fanden Jürgen Klinsmann. Die Engländer bekamen Steve McClaren, den Assistenten des geschassten Eriksson.

Mitreißenden Angriffsfußball hatte er versprochen, transparente Personalentscheidungen, eine Rückkehr Englands in den Kreis der Top-Nationen. Es ist anders gekommen. In der EM-Qualifikation liegt England hinter Kroatien, Russland und Israel nur auf Platz vier. Und die Mannschaft spielt so planlos und unattraktiv wie zuletzt unter Erikssons Vorgänger Kevin Keegan. Beim 0:0 in Tel Aviv gegen Israel pfiffen ihn die Fans aus und skandierten: „Du weißt nicht, was du tust!“

Eine Niederlage heute, spätestens aber ein ausbleibender Sieg in drei Wochen im Rückspiel gegen Israel könnte in der englischen Öffentlichkeit einen ähnlichen Aufschrei nach sich ziehen wie Deutschlands 1:4 vor eineinhalb Jahren in Italien. Klinsmann stand damals kurz vor der Entlassung, am Ende ging die Sache für ihn und die deutsche Mannschaft gut aus. Was das über den glücklosen englischen Trainer sagt? Wenig. Steve McClaren ist kein Jürgen Klinsmann. Er ist die Nummer zwei, die durch glückliche Umstände zum Chef aufstieg. Als kurzfristigen Nachfolger haben die der Spekulation traditionell nicht abgeneigten britischen Zeitungen schon mal Terry Venables ins Gespräch gebracht. Den braun gebrannten Veteranen, den David Beckham im Trainingscamp so freundlich begrüßt hat.

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